Kultur: Ein konspiratives Geschäft
Edoardo Erbas Stück „Die Maurer“ auf der HOT-Probebühne in der Zimmerstraße
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Edoardo Erbas Stück „Die Maurer“ auf der HOT-Probebühne in der Zimmerstraße Kleinkunst-König Otto Reutter besang einst die viskose Arbeit eines Maurers, welcher sein Dach reparieren sollte. Bevor der gute Mann ans Werk ging, war der Tag vorbei. Immerhin blieb diese Arbeit legal, was man den nächtlichen Schwarzarbeitern Fiore und Germano nicht sagen kann: Sie bekamen für gutes Geld den Auftrag, eine Wand quer durch ein Theater zu ziehen, damit Lagerraum für einen Supermarkt werde. Ein konspiratives Geschäft auch in Italien, wo Edoardo Erba sein parabolisches Stück „Maurer“ angesiedelt hat. Dieses fantastische Gebilde wurde als Gastspiel des Frankfurter Kleist Forums in der Zimmerstraße gezeigt, ein Ort, an dem sich Charme und Morbidität längst geschieden. Nachts schleichen sich der baumlange Fiore (Dirk Audehm) und der schmächtige Germano (Murali Perumal) in den verwunschenen Tempel Thalias ein, und obgleich ihnen mit diesem fetten Auftrag die berufliche Selbstständigkeit winkt, machen die beiden, wie Reutters Maurer, erst einmal Pause mit Beck’s, völlig klar. Eine von vielen Ungereimtheiten im Regiewerk von Matthias Brenner, wie auch während des zweistündigen Abends wirkliche Maloche nirgends zu sehen ist, kein Schweiß, keine Mühe. Das ungleiche Paar, ein wenig an filmische Paarung von Dick und Dünn erinnernd, hört rauschenden Beifall aus dem Off, Kichern, auch merkwürdige Echo-Effekte, bis man vermeint, hier habe sich jemand eine besondere Nachtvorstellung ausgedacht. Aber dem ist nicht so. Sie zeigen kaum Reaktion auf dieses theatralische Mysterium Erbas. Dafür erscheint eine hehr-schöne Dame wie aus dem Nichts, Fräulein Julie, welche den Südländer Germano im Nu durch ihren Charme überzeugt, sie an den Comer See zu führen. „Bringen sie mich fort von hier!“, haucht sie ihm entgegen. Längst ahnt der Eingeweihte den Zusammenhang mit einer Titelfigur von Strindberg. Hervorragendes Stück! Cornelia Heyse spielt diese Figur derart überzeugend, dass ihr auch jemand aus dem Publikum diesen Wunsch unmöglich hätte abschlagen können. Besagte Maurer animierte ihr zweimaliges Erscheinen allerdings weniger, den Spielbetrieb durch Darstellungskunst zu befördern. Germano schien ihre Anwesenheit so gebannt zu haben wie die Schlange ein Karnickel. Er war auch sonst mehr „da“ als er spielte, und als die Schönheit dann dem massigen Fiore sichtbar wird (die Figur geht durch Mauern), verliebt er sich recht täppisch in sie. Gut und schön, aber hübscher Wortwitz und proletarisches Gebaren ersetzen weder Stück-Dramaturgie noch Figurengestaltung. Der deutschsprachigen Erstaufführung gelang es leider nicht, Fiktion und Wirklichkeit eines virtuellen Theaterraumes in der Schwebe zu halten. Sie verliert überall da, wo sie an Gravitation gewinnt. War es denn kein Wunder, als man Julie mit Getöse in einer Kutsche davonrollen hörte, wie einst Medea in Hellas? So überraschend wie enttäuschend der Schluss: Ohne dass die Arbeiter reagierten, zersprengt Julie mit Vorschlaghammer und irrwitzigem Gelächter das Bauwerk. Sichtbar wird ein Panoramabild des Comer Wunschsees, an dem sich die Drei beim Sekte versöhnen. Schade, hier wird „der Sack zugemacht“, die aufgebaute Imagination wieder geerdet. Man spürte, dass dies keine glaubhafte Lösung war. Gerold Paul
Gerold Paul
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