Kultur: Ein Kraftbündel an Musik
Bruckners Fünfte war am Ostermontag in der Nikolaikirche zu erleben
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Anton Bruckners Sinfonien, sagt Peter Gülke, sind in demselben Maße gebetet wie seine vertonten Messen. Gülke ist Dirigent und Musikwissenschaftler – und wird ab August dieses Jahres Chefdirigent der Brandenburger Symphoniker. Der österreichische Komponist und Kirchenmusiker Bruckner sah sich mit seinem Talent direkt dem Herrgott verpflichtet. Seine Gebete waren inbrünstig, aber auch für jedermann vernehmlich gesprochen.
Er führte darüber sogar Buch und scheute sich nicht, vor Orchesterproben knieend den Rosenkranz zur Hand zu nehmen. Zu dem Dirigenten Arthur Nickisch soll er gesagt haben, dass der Himmel sich plötzlich geöffnet habe und dass er „den lieben Herrgott, die Engelchöre, den heiligen Petrus und den Erzengel Michael im Geiste vor sich gesehen“ habe. Das scheint für den Katholiken Anton Bruckner ein realistisches Erlebnis gewesen zu sein. Seine Sinfonie Nr. 5 in B-Dur, komponiert von 1873 bis 1875 und anschließend mit Verbesserungen bedacht, ist Zeugnis seines tiefen Glaubens.
Für die Aufführung der „Glaubenssinfonie“ am diesjährigen Ostermontag war die Sankt Nikolaikirche der rechte Ort, nicht nur inhaltlich, sondern auch von den akustischen Gegebenheiten. In Potsdam gibt es schließlich ansonsten kaum einen Konzert- und Kirchenraum, in dem eine Bruckner-Sinfonie sich zu einem klanglichen Ereignis steigern könnte. Auch der Nikolaisaal nicht. Das haben die Veranstalter längst erkannt, sodass in dem Konzerthaus Aufführungen mit Werken des Spätromantikers ausgeklammert werden. Den Potsdamer Musikhörern wird aber somit ein wichtiger Teil des Konzertrepertoires vorenthalten. Nikolaikantor Björn O. Wiede, der sich in seinem Wirken bekanntlich nicht nur mit der reichen Kirchenmusik zuufrieden gibt, hat sich nun mit der Neuen Potsdamer Hofkapelle zum zweiten Mal einer Sinfonie von Anton Bruckner zugewandt: 2013 wurde die 6. Sinfonie musiziert, Ostermontag 2015 also die Fünfte. Das Orchester platzierte sich auf der Orgelempore, auf der zum Osterfest 2017 voraussichtlich die neue „Königin der Instrumente“ der Osnabrücker Orgelbaufirma Kreienbrink thronen wird. Auf den beiden Seitenemporen nahmen die Konzertbesucher die Plätze zum Hören und Sehen ein, doch der größte Teil wählte die nicht kostenpflichtigen Stühle im Altarraum und die Bänke im Kirchenschiff als reine Hörmöglichkeit. Dem Konzert hätte man dennoch mehr Besucher gewünscht, denn sie hätten der Akustik mit der langen Nachhallzeit gut getan.
Die großen Schwierigkeiten, die Bruckner den Instrumentalisten zugemutet hat, und derer man sich oft gar nicht bewusst wird, wenn nichts schiefgeht, wurden von der Neuen Potsdamer Hofkapelle erstaunlich gut bewältigt, zumal die Musiker nur zu Projekten wie diesem zusammenkommen. Wiede interpretierte die B-Dur-Sinfonie, die vor thematisch-motivischer Arbeit und kontrapunktischer Komplexität ja nur so strotzt, weitgehend als ein echtes Kraftbündel.
Die einzelnen Klangschichten waren somit nicht immer gut durchhörbar, zumal die Blechblasinstrumente gnadenlos über die Sreicher triumphierten. Das lag vor allem auch an der erhöhten Platzierung der Blechbläser. Klangschön war aber besonders der zweite andächtige Satz, das Adagio, in dem die Streicher ihre warme Seite präsentieren durften. Das Humoristische im Scherzo fiel leider aus und im Finale wurden die hymnisch-himmlischen Bläserchoräle äußerst kraftvoll angestimmt, doch ohne übliche Tempoverbreiterungen. Björn O. Wiede zeigte sich auch in diesem Konzert als Freund straffer Tempi, ohne dass die Musik gehetzt klang oder die nötige Muße fehlte. Es gab lang anhaltenden Beifall für Hofkapelle und Wiede. Klaus Büstrin
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