Kultur: Ein lebendes Geschichtsbuch
100 Jahre Museum in Potsdam / Heute: Hartmut Knitter, 42 Jahre Historiker am Potsdam-Museum
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Von Klaus Büstrin
Am 20. April feiert das Potsdam-Museum sein 100. Jubiläum. Potsdamer Bürger gründeten 1909 einen Museumsverein. Ihre Geschichtskenntnisse und Sammelleidenschaften bildeten die Grundlage für ein Städtisches Museum. In einer losen Folge würdigen die PNN Gründungsmitglieder des Vereins und ehemalige Mitarbeiter des Museums. Heute: Hartmut Knitter.
In Potsdam war eine Stelle frei. Im städtischen Heimatmuseum. Die Fachstelle für Heimatmuseen in der DDR, die in Halle beheimatet war, koordinierte und vermittelte Historiker oder Museologen für die immer sich stärker entwickelnden Heimatmuseen im Land. Das Museum in Potsdam kam Hartmut Knitter, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg 1957 sein Geschichtsstudium abschloss, gerade recht. Schließlich wollte er wieder dorthin, wo Kiefern wachsen und die Landschaft mit viel Wasser gesegnet ist. Seit Kindesbeinen ist er nämlich mit dem Flachland eng verbunden.
Also vermittelte die Fachstelle in Halle den Jung-Historiker nach Potsdam, an das dortige Heimatmuseum. Als er in der Bezirksstadt eintraf, waren ihre Narben, die der Zweite Weltkrieg hinterließ, noch überdeutlich. Er musste in den folgenden Jahren auch mit ansehen, wie die historische Mitte der Stadt durch Sprengungen und Abrissbagger noch einmal zerstört wurde.
Der Marstall, der zum Stadtschlosskomplex gehörte, blieb unzerstört. Er wurde sein Arbeitsort. Vor 1945 beherbergte das lang gestreckte Gebäude bereits das Garnisonmuseum. Noch in den Kriegstagen war es geöffnet. Dagegen wurde die kulturhistorische Sammlung in den Räumen am Neuen Markt 6 bereits seit 1934 nicht mehr gezeigt. Sie musste dem Arbeitsamt Platz machen.
Am 16.Oktober 1946 wurde auf Anordnung der Sowjetischen Militäradministration im Marstall das städtische Heimatmuseum wieder eröffnet. Die Potsdamer „Tagespost“ berichtete über den Festakt: Dr. Pokrandt habe sich im Namen des Amtes für Volksbildung bei allen Bürgern bedankt, die sich „an der Herrichtung des Museums beteiligten. Mit dem Dank verbinde er die Bitte, Geldmittel zur Verfügung zu stellen, da noch mancherlei im Magazin vorhanden sei und aufgestellt werden könne. Es wäre notwendig, Opfer für kulturelle Zwecke zu bringen“. Am 20. November musste es aber wieder für ein halbes Jahr wegen Kohlemangel schließen.
Im Marstall war Hartmut Knitter zunächst auf Honorarbasis tätig, ab 1958 bekam er einen festen Arbeitsvertrag. Mit sechs weiteren Mitarbeitern betreute er die Sammlungen. Hier war zunächst noch alles vereint: prähistorische Exponate (sie kamen später in das Museum für Ur- und Frühgeschichte im Schloss Babelsberg), Naturkundliches, Gemälde, Fayencen, Eisenkunstguss, Gemälde, Skulpturen und andere Gegenstände aus der Potsdamer Kunst- und Kulturgeschichte. Doch die beengten Verhältnisse machten einen Umzug dringend vonnöten. 1959 zog das Museum ins einstige Ständehaus in die Wilhelm-Külz-Straße (heute Breite Straße). Hier konnte man die Sammlungen endlich auf höherem Niveau präsentieren. Eine Dauerausstellung zur Potsdam-Geschichte wurde konzipiert und gezeigt, informative und qualitätsvolle Sonderausstellungen unter anderen aus eigenen Beständen veranstaltet.
Doch das Tauziehen um eine für das Museum würdige Depotmöglichkeit und Präsentation der Sammlungen sollte bleiben. Hartmut Knitter musste zusehen, wie die Gemälde, die kunsthandwerklichen Gegenstände oder auch Bücher im Laufe der Jahre hin und her transportiert wurden, ohne dass eine Magazinierung erreicht wurde, die den modernen Ansprüchen genügte. Auch die Ausstellungsmöglichkeiten der weiteren Standorte, die Hiller-Brandtschen Häuser (Breite Straße) und in der Benkertstraße 3, waren und sind begrenzt und unzulänglich. Eine Dauerausstellung, in der die Potsdamer und ihre Gäste sich über die Geschichte der Stadt mit Exponaten und mit Texten informieren können, fehlt seit Jahren. Hartmut Knitter freut sich, wenn nun in drei Jahren im neuen Domizil des Museums, im Alten Rathaus, endlich wieder die Historie Potsdams ohne ideologische Einengungen in Gänze zu betrachten ist.
Eine ganze Reihe von Museumsdirektoren hat er kommen und gehen sehen. Sicherlich haben manche von ihnen mehr oder weniger das Zeug gehabt, leitend tätig zu sein. Doch bedauert er es, wie einige Stadtpolitiker immer wieder versuchten, Unliebsame zu mobben. Hartmut Knitter selbst wollte immer in der zweiten Reihe bleiben. Als stellvertretender Direktor musste er nicht vordergründig mit der Bürokratie ins Gehege kommen. Er wollte sich mit der Stadtgeschichte beschäftigen. Denn er war und ist mit Leib und Seele Historiker und Museologe. Das Sammeln, Bewahren und die Konzeptionen von Ausstellungen gehörten zu seinem umfangreichen Aufgabengebiet. 42 Jahre – bis zum Ruhestand 1999 - war er, der im Städtchen Soldin in der Neumark Geborene und in einem kleinen Dorf im Nordharz Aufgewachsene, damit im Potsdam-Museum intensiv beschäftigt . Man braucht nur ein historisches Gebäude oder eine Person zu nennen, Knitter weiß sofort viele Geschichten über sie zu erzählen, lebhaft und fundiert. Auch so manche Publikation, Vorträge oder Führungen zeugen davon. Wer den Namen Potsdams im Zusammenhang mit dessen Geschichte nennt, kennt wohl gleichzeitig den seinigen. Manch Verlorenes und Vergessenes hat auch er wieder hervorgebracht. Beispielsweise scheute sich Hartmut Knitter in den sechziger und siebziger Jahren nie davor, im Schutt der gesprengten Garnisonkirche Bauteile und Schmuckelemente zu bergen, auch in abgerissenen alten Häusern nach Alltagsgegenständen, die es wert sind, für künftige Generationen aufzubewahren, zu suchen.
Immer wieder hat er sich mit Engagement der Aufarbeitung des Staatsstreichversuchs am 20. Juli 1944 zugewandt, vor allem den Männern, die von Potsdam aus den Widerstand gegen Hitler organisierten: Tresckow, Merz von Quirnheim, Bussche, Hammerstein und andere. An historischem Ort im Ministerium für Infrastruktur und Raumordnung, dort wo früher die Gewehrfabrik, die Kaserne des IR 9, aus der mehrere Widerständler kamen, sich befand, erarbeitete Hartmut Knitter eine hochinteressante Ausstellung über den 20.Juli. Sie wurde 1994 erstmals gezeigt. Auch heute ist sie, wenn man den Ministeriums-Pförtner passiert hat, für jeden offen.
Glücklicherweise entschied sich Hartmut Knitter 1957 für Potsdam. Er hat das Auf und Ab der Stadt und des Museums erlebt. Am 20. April, dem 100. Geburtstag des städtischen Museums, wird er sich in das Goldene Buch der Landeshauptstadt eintragen.
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