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Kultur: Ein neuer Birnbaum

Die erste Ribbecker Sommernacht lockte rund 2000 Gäste an: Eine kleine, aber feine Ausgabe der Potsdamer Schlössernacht

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Einst war es der Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland, der mit seinen süßen Früchten den Menschen Gutes tat. Auch heute gibt es Birnen an seinem Baum in dritter Generation. Doch noch sind sie klein und grün und auch nicht der Grund für die fast 2000 Berliner und Brandenburger, die sich am Samstag auf den Weg in das kleine, durch Fontane geadelte Dorf machen. Die erste Ribbecker Sommernacht lockt die Kulturhungrigen in das malerische Dorf.

Bereits vor dem ersten Haus werden die motorisierten Gäste aufs Stoppelfeld gelenkt – zwischen Gladiolen und Sonnenblumen zum Selberschneiden ist eine Autoschneise geschlagen. Dort geht es für die VIP“s in die Stoppelfeld-Parzelle 1, das „gemeine Volk“ muss ein paar Ackerfurchen weiter parken. Man nimmt“s mit Schmunzeln. Am Dorfanger wird unter ausladenden Kastanienbäumen dann zur Tafel gebeten. Zeit bei einem Glas Wein das Programm auf den fünf Bühnen zu studieren.

Man hat die Qual der Wahl. Die Entscheidung fällt als Erstes auf Hans Krüger – einem Clown ohne rote Knollennase, der seinen Witz aus den Tiefen zieht und ihn mit Leichtigkeit hoch aufsteigen lässt. Der Kabarettist erinnert sich, wie er mit seinem aus Alunieten und Kittifix made in DDR zusammengebauten Flugzeug den Garten in Alt Glienicke unter sich lässt – hinauf treibt in die Wolken, die so grenzenlos scheinen. „Ohne Risiko keine Extase“, so seine Maxime.

Mit der Phantasie eines Kindes, das noch zu Staunen vermag und dem Wortwitz eines Denkakrobaten zieht er die auf Strohballen und Decken lümmelnden Besucher mit hinein in den abenteuerlichen Sog des Abhebens – bis die mit Schmelzkäse, Sülzwurst und Salami belegten Stullen ein Chaos im Magen des Superpiloten verursachen. Der Traum vom Fliegen a la Häwelmann findet sein abruptes Ende. Schnell zieht er sein Gefährt wieder aus 10 000 Meter Höhe hinunter – zur Noch-Geliebten Saskia und zu seiner Mutter, die schon mit dem Kaffee im Garten wartet. Eine Flugstunde – die über den Moment hinaus reicht.

Mit der Poesie des Fliegens und der Leichtigkeit spielen auch die elfengleichen Wesen des Artisten-Duos Sol“Air am Vertikalseil. Es ist eine zärtlich-erotische Annäherung, die sich vor dem Blättergrün entspinnt. Den fließenden, gewagten Pirouetten ist nichts von dem immensen Kraftaufwand anzumerken. Die Verzauberung ist perfekt.

Und wieder zieht es den Besucher weiter auf die mit Kerzen anheimelnd ausgeleuchteten Wege: zum Poeten im Baum, zu den sternenfunkelnden Liebesbekundungen aus der Opernwelt, zu den Schattenspielen im Kirchenrund. In der Alten Brennerei, die so liebevoll von den wiedergekehrten von Ribbecks saniert wurde, lauschen Halb-Meter-Kinder neben Eltern und Großeltern den wohltönenden a-Capella-Gesängen von Fishing for Compliments und den von Lembit Saarsalu & Fry Quartett seelenvoll gespielten Jazz.

Das abschließende Feuerwerk kommt viel zu schnell, noch ist der Kulturhunger nicht gänzlich gestillt, das Programm nicht „abgearbeitet“. Dennoch: Mit dieser Miniaturausgabe der Potsdamer Schlössernacht – die zwar kleiner, aber dafür feiner die Sinne betört – hat sich das Dorf einen neuen, reich tragenden „Birnbaum“ gepflanzt. Einen, der auch ohne Fontane von sich Reden machen wird.

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