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Kultur: Ein Oscar-Preisträger

Der tschechische Regisseur Jiri Menzel und zwei seiner Filme heute im Filmmuseum

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1968 bekommt der tschechoslowakische Regisseur Jirí Menzel den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film. Menzel ist gerade 30 Jahre alt, die Komödie „Scharf beobachtete Züge“ (auch: „Liebe nach Fahrplan“) sein erster großer Spielfilm: Ein Start für eine internationale Filmkarriere, wie er fulminanter nicht sein könnte? Eigenen späteren Auskünften soll sich der Absolvent der Prager Filmhochschule zu jener Zeit der Aufbruch in der tschechoslowakischen Gesellschaft, die Hoffnungen und die Euphorie des Prager Frühlings, weit mehr als die Ehrung in Hollywood beschäftigt haben, über die er noch recht wenig wusste.

Jirí Menzel gehört – wie auch Milos Forman oder Vera Chytilova – zu den wichtigsten Regisseuren der tschechoslowakische Neuen Welle, die in den sechziger Jahren Filmgeschichte schrieben. Bereits 1965 entstand „Perlen auf dem Grund“, der zum Manifest des jungen tschechoslowakischen Kinos geriet: ein Episodenfilm, zu dem fünf Regisseure durch den Geschichtenband „Ein Perlchen auf dem Grund“ von Bohumil Hrabal (1914-1997) inspiriert wurden. Menzel inszenierte darin die Episode „Der Tod des Herrn Baltasar“, in der er von einer Familie erzählt, die dem Tod eines bekannten Rennfahrers beiwohnt. Die Kritik bescheinigte ihm, den Schriftsteller kongenial interpretiert zu haben und die nächste Zusammenarbeit ließ nicht lange auf sich warten. Für „Scharf beobachtete Züge“ schrieben Hrabal und Menzel gemeinsam das Drehbuch nach einer Erzählung des Autors. Den unbeholfenen Bahnpraktikanten Milos, der in den politischen Wirren des Jahres 1944 erst zum Mann und dann zum Helden wird, spielte der Schauspieler und Sänger Vaclav Neckar. „Lerchen am Faden“, eine Art subversiver Farce, und wieder mit Vaclav Neckar in einer der Hauptrollen, sollte dann für lange Zeit die letzte gemeinsame Arbeit des Duos Hrabal-Menzel werden. Der Film wurde 1969 abgedreht, lange nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Vertrages am 21. August 1968. Er verfiel sofort nach seiner Fertigstellung einem Verbot der neuen Machthaber und verschwand bis zum Ende der 80er Jahre im Tresor. Offensichtlich setzte er dort keine Patina an: Auf der Berlinale 1990 konnte der 20 Jahre zuvor für ein tschechisches Publikum gedrehte Streifen sich im aktuellen internationalen Filmangebot behaupten und ex aequo einen „Goldenen Bären“ erobern. 1969 wurde sein Schöpfer, wie andere begabte Regisseure seiner Generation auch, mit einem Arbeitsverbot belegt. Einige von ihnen emigrierten daraufhin ins Ausland. Menzel blieb und tat, was man ihm nicht verwehrte: Er arbeitet als Schauspieler. Als solcher wirkte er am Theater und in den Filmen seiner Kollegen mit, unter anderen spielte er 1972 in dem DEFA-Film „Sechse kommen durch die Welt“ von Rainer Simon. Ab 1974 wurde ihm in die Regie von Filmen wieder gestattet. Nach weniger bedeutenden Werken gelang ihm mit 1980 „Kurzgeschnitten“ eine weitere herausragende Hrabal-Verfilmung. Mit „Heimat, süße Heimat“ (auch: „Dörfchen, mein Dörfchen“), der 1986 wieder für den Oscar nominiert wurde, konnte er nicht nur an seine großen Erfolge anknüpfen, sondern auch voll und ganz zum liebenswerten Charme, skurrilen Humor und stillen Optimismus seiner frühen Werke zurück kehren.

„Ich habe den englischen König bedient“ (2006) nach dem Schelmenroman von Bohumil Hrabal ist der bislang letzte Film Jirí Menzels. Gabriele Zellmann

Heute im Filmmuseum: ab 19.30 Uhr Filme „Perlen auf dem Grund“ und „Ich habe den englischen König bedient“ in Anwesenheit von Jiri Menzel und Julia Jentsch

Gabriele Zellmann

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