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Kultur: Ein Pool voller Geschichten

Das Junge Theater badet am 22. September an / Die Reithalle A wird zum Schwimmbad der Fantasie

Stand:

Das Bassin ist bis über den Kopf gefliest: blau-grüne Kacheln wie im Schwimmbad. Man riecht förmlich das Chlor, auch wenn hier kein Wasser plätschert. Diese Badeanstalt wird mit Theater gefüllt: 15 Inszenierungen gehen hier in der kommenden Spielzeit „baden“. Der von Matthias Schaller entwickelte Bühnenraum ist für alle Regisseure bindend. Was auch aus finanziellen Erwägungen heraus geschah, denn das Geld für die Ausstattung blieb bei erhöhtem Angebot konstant. Andreas Steudtner sieht es aber vor allem als eine künstlerische Chance, die die Fantasie beflügelt. „Dieses Gesamtbühnenbild zwingt zu hoher Theatralität, denn es geht nie wirklich ums Baden. Der Raum wird von den Schauspielern als etwas definiert, was er eigentlich nicht ist. Er kann Straße, Garten, Schloss oder Wohnung sein. Und dieser Ort zeigt deutlich: Hier gibt es etwas Neues: das junge Theater, ein Spaßbad“, so dessen Chef.

Was aber ist nun das eigentlich Neue? Auch bisher wurden in der Reithalle A Inszenierungen für Kinder und Jugendliche aufgeführt. Doch ab 22. September gibt es neben Vormittags- und Nachmittagsvorstellungen für die Kleinen auch einen regelmäßigen Abendspielplan. Der richtet sich nicht nur an Menschen, die jung an Jahren, sondern auch an die, die neugierig auf Jugend sind. Themen seien die Hürden, über die junge Leute springen müssen. „Was heißt es, zu leben? Wie soll ich leben? Immer sind es Startsituationen, Zukunftssichten, um die gerungen sein will“, so Andreas Steudtner.

Angebadet wird mit „Kamikaze Pictures“ – ein Stück, das durch einen Dschungel von Drogen, Abhängigkeit, Anpassung und Rebellion Schneisen schlägt. Regie führt Petra Luisa Meyer, die bereits am Hans Otto Theater u. a. „Welche Droge passt zu mir?“ erfolgreich in Szene setzte. Gespannt sein darf man auch auf Carsten Kochans Inszenierung von „Cyrano“, der in einer modernen Fassung seine lange Nase in beglückende und schmerzende Dinge der Liebe steckt. Oder auf die Arbeit von Theaterpädagogin Manuela Gerlach, die in „Größe Null“ über den steinigen Weg zwischen Mädchensein und Frauwerden erzählt: über körperliche Ideale und die Verweigerung, ihnen zu folgen.

Von den insgesamt 15 Produktionen richten sich fünf an Kinder, die anderen zehn an Jugendliche und Junggebliebene. Drei Abende die Woche steht das Haus an der Schiffbauergasse offen. Am Freitag ist Freistil angesagt, ein Grenzbereich, der die Möglichkeiten zwischen Theater und Trivialität auslotet. Dort können die Schauspieler ihre eigenen Dinge produzieren, wie man es noch von Hot-Pot oder dem ehemaligen Walhalla-Programm kennt. Es werden Fantasy-Romane gelesen, kombiniert mit Musik. Und es sei auch vorstellbar, dass Gäste den Abend bestreiten. „Im Vordergrund muss dabei die Lust stehen, aber auch das nötige Handwerkszeug sollte dazu gehören.“ An Performances, die auf hoher intellektueller Ebene Raum und Zeit untersuchen, denke er weniger. Durch das Berühren von Trivialitäten hofft Steudtner, auch ein anderes Publikum anzusprechen, das bislang um Theater eher einen Bogen machte, Leute jenseits des Schulanrechts. „Viele Jugendliche denken, Theater heißt: drei Stunden auf einem Stuhl sitzen, dabei die Klappe halten und komplizierte Sprache und Geschichten über sich ergehen zu lassen.“ Genau das solle aber das junge Theater nicht sein: „Wir wollen andere Töne finden, mit neuen Medien experimentieren, Musik einfließen lassen. Mal sehen, ob wir jeden Freitag füllen können. Entweder ,Freistil“ etabliert sich oder wir müssen anders denken.“

Das Theater schwärmt zudem aus, will Impro-Theatergruppen gründen, die dann im Schwimmbad gemeinsam ihre Bahnen schwimmen. „Wir wollen die Uni, Fachhochschule und HFF ansprechen, denn bislang kommen die Studenten viel zu wenig zu uns.“ Steudtner und seine kleine Mannschaft fühlen sich jedenfalls total motiviert: „Wir kreieren mit Begeisterung einen jungen Theaterort, in dem es natürlich auch Gastronomie zu bezahlbaren Preisen geben wird.“

Zum Anbaden wurde ein wasserdichtes Programm gestrickt, wo sommerlaunig in knappen Höschen natürlich auch geflirtet wird. Beginn ist um 18 Uhr, und für dieses Badevergnügen ist der Eintritt frei. Wer ab 21 Uhr die Premiere von „Kamikaze Picture“ erleben will, muss sich allerdings eine Karte kaufen: für 10, ermäßigt 7 Euro. Danach gibt es Tanz am Beckenrand. DJ Piet und Alex spielen Pop, Punk und Funk, und das keineswegs verwässert.

Am nächsten Morgen geht es weiter im Planschbecken. Dann kommen die Kleinen zum Zuge und können als Untertanen „Dem nackten Kaiser“ die Leviten lesen. Eine alte Geschichte über Schein und Sein – wohl bestens geeignet für die nackte Schwimmbad-Kulisse, die auch mehr behauptet, als die Fliesen vorgeben.

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