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Von Gerold Paul: Ein Preis, der anzieht

Lotto Brandenburg GmbH vergab Kunstpreis für Literatur und Fotografie

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Herbstzeit ist Lottozeit. Nicht unbedingt im Tipp-System der ewigen Hoffnung, eher geistig. Bereits zum vierten Male in Folge vergab die Lotto Brandenburg GmbH „hochdotierte Kunstpreise für Literatur und Fotografie“. Kontinuität im Mäzenatentum „rechnet“ sich vermutlich immer, die auf 10 000 Euro je Genre ausgelobten Ehrungen erfreuen sich zunehmender Aufmerksamkeit. Schön, wenn etwas Glanz davon an den Ursprung zurückkommt.

Die Preisvergabe fand wieder im Foyer des Nikolaisaales statt, massiger Besuch, gewiss nicht wegen des noblessen Büfetts. Gleichzeitig wurde in der Ticket-Galerie die Ausstellung mit den Werken der Preisträger eröffnet.

Solch ein Preis zieht offenbar die Kunst an. Während die Zahl der fotografischen Bewerbungen gegenüber dem Vorjahr mit 178 fast gleich blieb, waren es in Sachen Literatur ein paar weniger, aber 218 Einsendungen zu bewältigen, dürfte für das Jurorentrio Sigrid Löffler, Hendrik Röder und Lutz Seiler auch kein kleines Stück gewesen sein.

Sigrid Löfflers Laudatio klang sehr nach einer Defension, schließlich ging der größere Teil der 10 000 Euro an einen Roman, von dem nur der Anfang vorliegt. Julia Schoch bekam ihn für ihr Manuskript „Mit der Geschwindigkeit des Sommers“, darin die Juroren offenbar ein gut Stück „DDR-Bewältigung“ herausgelesen haben, jedenfalls gefiel es der Laudatorin, all die grauenhaften Umstände aufzuzählen, welche der 1974 in Bad Saarow geborenen Autorin das Leben im Osten so gründlich vermiest haben müssen.

Wer Genaueres über die Geschichte zweier Schwestern und mehrere Selbstmorde wissen will, kann das in der Ticket-Galerie tun, Christian Brückner hat dieses Fragment für Lotto eingelesen, wie auch die sarkastisch-trüben Erzählungen des Zweitprämierten Martin Becker, 1982 in Attendorn geboren. Sie sind in dem Band „Ein schönes Leben“ zusammengefasst. Er stehe, so hörte man, in der Tradition von Samuel Beckett und Franz Kafka und beschreibt wohl vorwiegend Männer, die entweder in ihrer Jugend schon Greise sind oder im alternden Leben wie tot. „Überaus gelungen, professionell“, so das Fachurteil, allerdings seien die Protagonisten „fast alles Männer“, na schlimm.

Ein bisschen en vogue schien es auch in der fotografischen Zunft zuzugehen, wenigstens entschied man hier, den Preis in gleichen Teilen zu vergeben. Für seine fantastische Farbserie „Gipsy Homestories“ bekam der 1971 im französischen Longjumeau geborene Vincent Voignier den einen. Er zeigt opulente Aufnahmen reicher Roma in Rumänien und Moldawien, meist im Interieur „von Neuschwanstein, Disneyland oder Dallas“, wie die Juroren Michael Biedowicz, Carmen Schliebe und Enno Kaufhold sich ausdrückten. Fast bizarre Selbstdarstellungen, gewichtige Posen. Ganz zeitgeistig ging die andere Hälfte an den BerlinerFotografen Torsten Warmuth, Jahrgang 1968. Den Thüringer zieht es in die Magistralen. „Its a Mans World Kairo“ zeigt in verwaschenen Schwarzweiß-Bildern meist Männer am Steuer ihrer Autos, während Frauen tief verschleiert per pedes unterwegs sind. James Brown stand für den Titel Pate. „Maskuline Maskeraden jenseits des Konkreten, junge Kerle unter der Knute alter Männer, Frauen, die sich willfährig in männliche Strukturen einfügen“, steht im Begleittext. Man könnte auch „Tendenz-Fotografie“ dazu sagen.

Gerold Paul

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