zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Riss im festgelegten Lebensmodell Ann-Kristin Reyels Film „Formentera“ im Gespräch

Ein Urlaubsfilm ist „Formentera“ ganz sicher nicht, auch wenn Moderatorin Jeanette Eggert ihn am Dienstag, im letzten Potsdamer Filmgespräch des Filmmuseums vor der Sommerpause, als solchen vorstellte. Selbst wenn die Bilder, mit denen die Schauplätze des Films, der bereits auf der vergangenen Berlinale in der Reihe „Panorama“ lief, eingefangen werden, Lust machen, selbst einmal einen Fuß auf die Insel zu setzen, ist die Geschichte, die Regisseurin Ann-Kristin Reyels erzählt, ein verstörender Kontrast zu dem idyllischen Setting.

Stand:

Ein Urlaubsfilm ist „Formentera“ ganz sicher nicht, auch wenn Moderatorin Jeanette Eggert ihn am Dienstag, im letzten Potsdamer Filmgespräch des Filmmuseums vor der Sommerpause, als solchen vorstellte. Selbst wenn die Bilder, mit denen die Schauplätze des Films, der bereits auf der vergangenen Berlinale in der Reihe „Panorama“ lief, eingefangen werden, Lust machen, selbst einmal einen Fuß auf die Insel zu setzen, ist die Geschichte, die Regisseurin Ann-Kristin Reyels erzählt, ein verstörender Kontrast zu dem idyllischen Setting.

Ben und Nina (Thure Lindhardt und Sabine Timoteo), ein Berliner Paar in den Mittdreißigern, haben einen Urlaub ohne ihre kleine Tochter Luca beschlossen, um wieder einmal Zeit füreinander zu haben. Ben, der augenscheinlich große Teile seiner Kindheit auf Formentera verbracht hat, nimmt Nina mit in das Paradies seiner Kindheit und trifft dort Freunde seines Vaters, Alt-68er, die früh Deutschland verlassen haben und jetzt in entspannter Zusammengehörigkeit miteinander auf der Insel leben und arbeiten, Kunst oder Kleidung verkaufen. Was die Urlaubsstimmung schließlich trübt, ist, neben der scheinbaren Sprachlosigkeit, die sich zwischen dem jungen Paar ausgebreitet hat, auch ein nächtlicher Badeausflug, bei dem Mara, eine junge Mitbewohnerin der kleinen Hippiegemeinschaft, verschwindet.

Eine Party am Strand, jede Menge Alkohol, eine angespannte Nina und eine überdrehte Mara, die das Paar zu einer weiteren Party überreden möchte, drüben, auf Ibiza. Wie man da hinkomme? Na schwimmen! Als die Frauen tatsächlich losschwimmen, steigt die Dramatik. Mara verschwindet, Nina bleibt allein, schafft tatsächlich den kilometerlangen Weg auf die in der Ferne leuchtenden Insel, krümmt sich völlig erschöpft am Strand, läuft, nur in Unterwäsche und mit einem gefundenen Handtuch notdürftig bedeckt, orientierungslos durch die Straßen, schafft es erst am nächsten Morgen mit der Hilfe Fremder zurück auf ihre Urlaubsinsel.

Was den Zuschauer schockiert: Das Paar spricht weder über den nächtlichen Vorfall noch über Nina und die vergangenen Stunden, in denen sie verschwunden blieb. Das Paar schweigt, auch als die Polizei eingeschaltet wird und bricht schließlich, als Mara plötzlich wieder auftaucht, emotional zusammen. Dann scheint alles wieder klar und leicht, die letzte Einstellung zeigt eine entspannte Fahrt in Richtung Hafen.

Der Film ähnelt sehr dem bereits erschienenen „Alle Anderen“ von Maren Ade und muss diesem Vergleich notgedrungen standhalten. Dass äußere Umstände für diese Überschneidung verantwortlich sind, erklärte Ann-Kristin Reyels im anschließenden Gespräch. Produzentenwechsel und schwierige Finanzierung haben die Arbeit, die bereits 2008 begann, um beinahe drei Jahre verzögert und dafür gesorgt, dass das Team klein und die Drehzeit kurz gehalten werden mussten. Trotzdem ist die Regisseurin zufrieden mit dem Ergebnis, das durch die intensive Zusammenarbeit mit Sabine Timoteo und Thure Lindhardt ihren Feinschliff erhält.

Ein Generationenporträt ist das Ergebnis, das das festgelegte Lebensmodell mit Kind und Beruf hinterfragt und den Neuanfang als Alternative diskutiert. Schließlich trägt Ben sich mit dem Gedanken, seine Firma, die mit Solartechnik arbeitet, auf die Insel zu verlegen. Dass Nina davon nichts weiß und diesen Wechsel auch nicht will, wird zum weiteren Konflikt im Film und überlädt diesen damit leider etwas. So bleibt weniger Raum und Zeit, die zwischenmenschlichen Schwierigkeiten auszuloten oder aufzulösen. Andrea Schneider

Andrea Schneider

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })