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Kultur: Ein Schatz aus dem Heiligen See

Gedächtnisurne für Graf Alexander von der Mark entdeckt / Neuaufstellung zum Saisonbeginn

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Gedächtnisurne für Graf Alexander von der Mark entdeckt / Neuaufstellung zum Saisonbeginn Von Erhart Hohenstein Wenn König Friedrich Wilhelm II. vom Marmorpalais aus den Neuen Garten Richtung Norden durchwanderte, hielt er nahe dem Uferweg als erstes an einem Marmorpodest inne, auf dem eine so genannte Gedächtnisurne stand. Sie erinnerte an seinen früh verstorbenen Lieblingssohn Alexander. Schon als Kind von Friedrich dem Großen zum Grafen in der Mark erhoben, besaß der 1778 geborene liebenswerte Junge „ungewöhnliche Tugenden“ und wurde „in edlen Künsten frühzeitig unterrichtet“, wie es in der Grabinschrift heißt. 1997 war zur Eröffnung des teilrestaurierten Marmorpalais ein Brief ausgestellt, den der mit achteinhalb Jahren aus unbekannter Ursache verstorbene Alexander an seinen königlichen Vater geschrieben hatte. Der konnte sein „Anderchen“, eines der fünf Kinder aus der langjährigen Lebensgemeinschaft mit der schönen Trompeterstochter Wilhelmine Encke, nicht vergessen. Er ließ ihm in der Dorotheenstädtischen Kirche in Berlin von Johann Gottfried Schadow 1790 ein Grabdenkmal setzen (heute in der Alten Nationalgalerie zu besichtigen). Etwa gleichzeitig wurde im Neuen Garten die Gedächtnis- urne aufgestellt. Wenn der König dort verweilte, glaubte er immer wieder Alexanders Stimme zu hören. Heute ist an dieser Stelle nur noch das vor einigen Jahren restaurierte Podest zu sehen; die Marmorurne fehlt. Sie verschwand nach Kriegsende, als die sowjetischen Besatzer den Neuen Garten zu einem „Park der Kultur und Erholung“ mit Freilichtbühne, Autoscooter und Radrennbahn umnutzten. Der heutige Chefrestaurator der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Hans-Christian Klenner, vermutete schon lange, dass die Urne damals einfach in den Heiligen See geworfen worden war. Auf seine Bitte suchten jetzt die Stiftungs-Mitarbeiter Dr. Jens Bartoll und Dr. Jürgen Becher, deren Hobby das Sporttauchen ist, den ufernahen Seegrund ab. Schon nach 30 Minuten wurden sie fündig. Zehn Meter vor der Uferlinie entdeckten sie die beschädigte, von Muscheln und Algen bewachsene Urne. Wie Klenner im „Porticus“, dem Besuchermagazin der Stiftung, ankündigte, soll sie restauriert und bereits zur Saisoneröffnung 2005 wieder aufgestellt werden. Die von Rudolf Böhm geleitete Skulpturenwerkstatt der Stiftung hat diese zusätzliche Aufgabe übernommen. Sie wird die aus Carraramarmor geschaffene Urne reinigen und aufarbeiten. Neu angefertigt werden müssen Fuß und Knauf, die verloren gegangen sind. Ein erhaben gestaltetes Feld (Bosse) trug wahrscheinlich früher eine Inschrift, deren Text aber nicht mehr zu erkennen und auch nicht bekannt ist. Mit der Urne kehrt mehr als eine bloße Gartenstaffage zurück. Sie ist Teil der „Geheimnisse des Neuen Gartens“. Der Gang durch den Park folgt einem freimaurerischen Programm, dessen Untersuchung wir dem Potsdamer Kunsthistoriker Dr. Heinz Schönemann verdanken. An den Gedächtnisurnen für Graf Alexander und die Gräfin Ingenheim, einer der beiden dem König morganatisch („zu linker Hand“) angetrauten Gattinnen, betritt der Wanderer die Unterwelt, deren Eingang durch die Pyramide symbolisiert wird. Am Gärtnerhaus kehrt er ins Diesseits zurück und erreicht als Ort der Ruhe und Geborgenheit die Muschelgrotte, in der wahrscheinlich spiritistische Sitzungen stattfanden. Der Weg führte weiter über einen Aussichtshügel und ein Heiligtum der altägyptischen Göttin Isis zu der hinter Gehölzen versteckten Eremitage als nur Eingeweihten zugänglichem Ort höchster Erkenntnis. Neben der Aufstellung der Gedächtnisurne werden durch die begonnene Restaurierung der Muschelgrotte mit Hilfe eines Fördervereins und den Neuaufbau der Eremitage durch den Potsdamer Rotary Club weitere Stationen dieses Weges neu erlebbar gemacht.

Erhart Hohenstein

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