zum Hauptinhalt

Kultur: Ein Scherz, doch ernst gemeint Das 3. Sinfoniekonzert im Nikolaisaal

Alle Musiker verließen nach und nach die Bühne. Auch der erste Konzertmeister.

Stand:

Alle Musiker verließen nach und nach die Bühne. Auch der erste Konzertmeister. Doch ohne Musiker keine Musik. Das musste auch der Dirigent einsehen und zog von dannen. Mancher Besucher des 3. Sinfoniekonzerts mit den Brandenburger Symphonikern unter der Leitung ihres Chefdirigenten Michael Helmrath im Nikolaisaal war etwas irritiert über das seltsame Treiben auf der Bühne. Die meisten aber hatten ihren Spaß und wussten, so sollte die Sinfonie Nr. 45 von Joseph Haydn enden. Nicht umsonst heißt sie ja auch „Abschiedssinfonie“.

In das Finale baute der Komponist einen Scherz mit ernstem Hintergrund ein. In seinem Orchester rumorte es, denn der überlange Aufenthalt des Fürsten Ezterhazy in seiner Sommerresidenz bedingte, dass die Musiker ihre Familien monatelang nicht sehen konnten. Der Fürst verstand die Botschaft und nahm sie mit Humor.

So, wie die Brandenburger Symphoniker unter Michael Helmrath die „Abschiedssinfonie“ luftig durch den Raum schickten, steckte Freude, Leben, Nachdenklichkeit und auch das kleine, verschmitzte Augenzwinkern des Komponisten darin. Aufgewühlte Atmosphäre und vorwärtsdrängende Dramatik kennzeichneten Helmraths Interpretation im Kopfsatz. Dem Adagio des Werkes ließ er eine wunderbar ruhig strömende Interpretation angedeihen, die einen wohltuenden Gegenpol zum Drängen des Kopfsatzes darstellt. Dem Orchester gelang ein einnehmend finessenreiches Spiel auf hohem Niveau. Das folgende Menuett klang frisch und lebendig und nach einem relativ wilden Beginn überzeugte im Finale der abrupte Halbschluss; das ruhig fließende Schluss-Adagio zeigt mit seinen Solostellen, welch gute Musiker Helmrath in seinem Orchester vereinigt.

Diesen erfrischenden Schwung hatte die zu Beginn des Konzerts musizierte Sinfonie in D-Dur von Juan Crisóstomo de Arriaga aber noch nicht. Der bereits mit 20 Jahren verstorbene spanische Komponist schrieb ein Werk, das an den Geist Mozarts erinnert und bei dem die Klangwelt eines Franz Schubert nicht zu überhören ist. Erst im Finalsatz sollte sich bei den Symphonikern ein hellwaches Musizieren einstellen, das sich dann durch das gesamte Konzert fortsetzte.

Die Konzertarien für Sopran, die Mozart Sängerinnen in ihre geläufigen Gurgeln schrieb, gehören zu den schwierigsten Werken im Bereich der Vocalkunst. Die Sopranistin Gemma Bertagnoli sang zwei der spannungsgeladenen Musikdramen in Miniformat, die der Poet Pietro Metastasio nach antiken Erzählungen schrieb. Die Darstellung der mitunter recht komplexen seelischen Regungen wurden auf höchst artifizielle Weise von Gemma Bertagnolli und den Brandenburger Symphonikern zum Besten gegeben. Ein müheloses „Umschalten“ von einer Atmosphäre zum nächsten Affekt, auch das handfeste Aufbrausen, gelangen der Sopranistin mit großer Wahrhaftigkeit.

Auch der Italiener Luigi Boccherini, der jahrzehntelang in Spanien lebte und Hofkompositeur bei Preußenkönig Friedrich Wilhelm II. war, schrieb Konzertarien für Sopran und Orchester, auch teilweise auf Metastasio-Texte. In der zunächst gesungenen Arie „Misera dove son“ war bei der Sopranistin zwar noch zu viel stimmlicher Druck, doch dem insgesamt ausdrucksstarken Gesang konnte man sich auch hier nicht entziehen. Der Beifall war groß, so dass sich Gemma Bertagnolli mit dem hinreißend gesungenen Halleluja aus Mozarts Kantate „Exultate jubilate“ bedankte. Klaus Büstrin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })