
© Martine Beck-Coppola
Kultur: Ein Schnüfgen aus der Dose
Friedrich der Große sammelte Tabatièren und war der beste Kunde bei Juwelieren
Stand:
Auf 6000 Quadratmetern im Neuen Palais, verteilt auf 72, zum Teil erstmals zugängliche Räume, präsentiert sich derzeit die große Jubiläumsausstellung „Friederisiko“ zum 300. Geburtstag von Friedrich II. Knapp 1500 Exponate sind noch bis zum 28. Oktober zu sehen, 1000 davon gehören zur Ausstattung des Neuen Palais. In den kommenden Wochen stellen die PNN an dieser Stelle einzelne Ausstellungsstücke vor, die viel auch über Friedrich II. erzählen und erklären können.
Gut, dass Friedrich eine Tabakdose in der Brusttasche aufbewahrte. Sie rettete ihm das Leben. Während des Siebenjährigen Krieges prallte bei Kunersdorf eine feindliche Kugel daran ab. Jahrhundertelang konnte man diese Story in Geschichts- und Anekdotenbüchern lesen. Doch der Potsdamer Historiker Vinzenz Czech ist der Ansicht, dies sei nur eine Vermutung. Es sollte den Unsterblichkeitsmythos des Königs festschreiben helfen.
Diese kleinen Dosen waren Friedrich eine liebe Begleitung. Er hatte sie stets griffbereit. Sie lagen auf der Kommode, auf dem Schreibtisch, an der Speisetafel. Auch während kriegerischer Auseinandersetzungen mussten sie mit. Er bewahrte darin keinen Tabak zum Rauchen auf, sondern Schnupftabak, der im 18. Jahrhundert groß in Mode kam. Das Inhalieren von schwarzem Kraut war seine Sache nicht. Er hatte unangenehme Erinnerungen an die Sitzungen des „Tabakkollegiums“, die sein Vater, Friedrich Wilhelm I., veranstaltete, in denen derart stark geraucht wurde, dass der blaue Dunst auf den Kronprinzen abstoßend wirkte.
In der Friederisiko-Ausstellung findet man kostbare Exemplare von Tabakdosen, die als Leihgabe des Hauses Hohenzollern sowie aus dem Louvre in Paris ins Neue Palais kamen. Nicht nur zur Aufbewahrung von Schnupftabak benutzte man die Tabatièren, sondern auch zur Aufbewahrung von Pillen, Bonbons oder Schönheitspflästerchen. Und so haben sich die höhergestellten Damen und Herren solcherart Preziosen bei Juwelieren herstellen lassen. Aber noch lieber: schenken lassen. Friedrichs Mutter, Königin Sophie Dorothea, sammelte mehr als 370 solcher Dosen. Auch Sohn Friedrich ließ sich von den kleinen Meisterwerken der Steinschneide- und Goldschmiedekunst begeistern. Zwar konnte er sie sich als Kronprinz finanziell noch nicht leisten, doch während seiner Regierungszeit soll er bis zu 400 der meist kostspieligen Tabatièren gesammelt haben. Ihr Charakter als persönliches Accessoire und ihre außergewöhnliche Kostbarkeit machten sie außerdem zu idealen Geschenken an verdiente Feldherren oder Gesandte.
Gold oder farbiger Stein ist das Grundmaterial der Dosen. Gern benutzte Friedrich einen heimischen Edelstein: den Chrysopras, der in Schlesien zu finden war. Die Deckel der Tabatièren wurden mit figürlichen oder ornamentalen Reliefs geschmückt, mit Bildnissen aus der Mythologie oder mit dem Konterfei Friedrichs, vor allem nach dem bekannten Bildnis des Hofmalers Antoine Pesne aus der Kronprinzenzeit. Mit Brillanten wurde ebenfalls nicht gespart. Paris war das Zentrum der Golddosenherstellung. Doch Friedrich war auf die Stärkung der Wirtschaft in Preußen bedacht. Nach der Besteigung des Throns 1740 erließ er die Anordnung, in der er „zum Besten der Berlinischen Gold-Arbeiter in Gnaden resolviret, dass das Einbringen aller Frantzösischen goldenen Dosen, Etuis und dergleichen goldener Galanterie-Waaren gäntzlich verboten werden soll“. Der König spornte die Produktivität der Juweliere an, indem er zu ihren „besten Kunden“ wurde.
Die luxuriöse Lebensart wurde dadurch unterstrichen, dass der preußische König spanischen Tabak schnupfte. Eine besondere Verfeinerung – man legte die Tabakblätter wochenlang in besondere Soßen – trug dazu bei, dass die Duftstoffe intensiv zum Tragen kamen. In der letzten von Friedrich dem Großen benutzten Tabatière, eine Holzmaserdose, fand man nach seinem Tod einen Zettel, geschrieben von seiner Schwester, Prinzessin Amalia: „Heute Donnerstag, d. 21. Sept. 1786, 5 Wochen nach meinen lieben Bruder seinen Todt hat mich sein gewesener Kammerdiener Schöning diese Dose gebracht, welche der Seelige König in seiner auf der Rechten Seite befindlichen Tasche beständig bey sich getragen hat und worinnen dieselbige Spanische Tabac sich befindet. Er gab mir öfters ein schnüfgen sowohl aus dieser als auch aus den übrigen schönen Dosen welche er bey sich trug. Trauriges und Unschätzbares Andenken dieses großen Mannes. Amalie.“ Klaus Büstrin
Informationen zur Ausstellung und den Öffnungszeiten unter www.friederisiko.de
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