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Böser Genuss. Bettina Riebesel und René Schwittay auf der Bühne.

© Thomas M. Jauk

Ein schonungsloser Ehekrieg: „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ brutal inszeniert

Die erregendste Gender-Schlacht der modernen Theatergeschichte im Hans Otto Theater: Bettina Riebesel und René Schwittay in einem explosivem Kammerspiel.

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Der Titel ist die feministische Verballhornung des Kinderliedes vom bösen Wolf: Mit dem Schauspiel „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ hat der amerikanische Dramatiker Edward Albee im Jahr 1962 die erregendste Gender-Schlacht der modernen Theatergeschichte geschrieben. Sie ist unvergessen dank der schillernden Beteiligten der Filmversion von 1966, Elizabeth Taylor und Richard Burton. Die private Ehehölle, Alkoholsucht inklusive, funktionierte am Set als Brandbeschleuniger, um sich als Filmpaar Martha und George in einem nächtlichen Showdown vor den Gästen glaubhaft bis aufs Blut zu quälen.

Am Samstag haben Bettina Riebesel und René Schwittay als Martha und George in der Reithalle des Hans Otto Theaters mit aller Wucht den zeitlosen Beziehungskampf in der gutbürgerlichen Scheinwelt der USA als einen bösen Genuss geliefert.

Offenbarung intimster Sehnsüchte

Martha und George sind ein gut situiertes Professoren-Ehepaar im mittleren Alter, das trotz einer schönen Fassade alles andere als glücklich miteinander ist. Als die beiden eines Abends schon etwas angeheitert nach Hause kommen, hat Martha gegen den Willen ihres Mannes Gäste eingeladen: den jungen Biologen Nick und seine Frau, genannt „Süße“.

Der explosive Grundstein für den Abend ist gelegt, denn auch die Beziehung des Gästepaars ist nicht so unbelastet, wie es zunächst scheint. Angefacht vom Alkohol offenbaren die Vier im Laufe der Nacht ihre intimsten Sehnsüchte und Lebenslügen. Es beginnt ein schonungsloser Ehekrieg, bei dem alle Beteiligten bald vor nichts zurückschrecken.

Moritz Peters, der am Hans Otto Theater als Regisseur kein Unbekannter ist, hat das Drama weitgehend mit brutaler Härte inszeniert. In einer minimalistisch und ungemütlich wirkenden Häuslichkeit von Martha und George, die eher an eine Bar erinnert (Bühnenbild: Juan León), prallen die Ehepaare aufeinander wie die Eiswürfel in ihren Drink-Gläsern. Erst knirscht es, dann kracht es. Mit jedem neuen Riss, der sich auftut, werden die hohlen Beziehungen sichtbar, bei denen auch Marthas und Georges Geschichte vom Sohn, den es gar nicht gibt, eine Rolle spielt.

Starke Besetzung

Der Blick in die Abgründe der menschlichen Seele ist tief. Oftmals sieht man Albees Stück als unterhaltendes Schauturnier, bei denen die Lachmuskeln provoziert werden. Moritz Peters hat die hochexplosive Atmosphäre im Haus von Martha und George als ein Kammerspiel inszeniert, bei dem die Lacher, die es auch gibt, im Hals stecken bleiben. Zum Schluss legt in einer berührend stillen Szene das Ehepaar seine Wortgefechts-Waffen nieder und entdeckt, dass es in Liebe verbunden ist.  

Bettina Riebesel spielt die Martha selbstbewusst-dominant. In ihrer ausufernden roten Robe erscheint sie wie eine Königin, die den Wahn der Figur unterstreicht (Kostüme: Arianna Fantin). Ihre Unkontrolliertheit, der Liebeshunger, der Flirt mit Nick, das durchsichtige Pathos und schließlich die Einsamkeit werden von Bettina Riebesel als große Operndiva gestaltet. Zum fast traurigen Finale wird sie eine verletzbare, normal tickende Frau.

René Schwittay als ihr zynisch intellektueller Gegenspieler George – ein arroganter Historiker und ein zügelloser Wüterich - beherrscht die Szene ebenfalls souverän. Nadine Nollau als „Süße“ sowie Jan Hallmann als Nick stehen in der Intensität des Spiels den beiden Haupt-Kontrahenten in nichts nach, das eher Hilflose ihrer Figuren gut treffend. Verdientermaßen feierte das Publikum die Darsteller herzlich. 

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