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Dick und attraktiv. Tom (Andreas Schmidt) liebt Helen (Marie Schöneburg), die intelligent, witzig und charmant ist. Doch er ist auch durch das Gespött seiner Kollegen über die Körperfülle seiner Freundin verunsichert.

© Komödie/Thomas Grünholz

Kultur: Ein sexy „fettes Schwein“

Die Potsdamerin Marie Schöneburg spielt in der Komödie am Kurfürstendamm die Hauptrolle

Stand:

Sie hat einige Pfunde mehr auf den Hüften als die meisten ihrer Kolleginnen. Was der jungen Potsdamer Schauspielerin für ihre Karriere bislang eher im Wege stand und ein Festengagement verhinderte, ist nun genau richtig für die Rolle in der Berliner Komödie am Kurfürstendamm. Nicht ganz. Marie Schöneburg muss für ihre Helen noch ein wattegefülltes zusätzliches Päckchen um den Körper schnallen. Mit diesem „Fat Suite“, das auch ihre Körbchengröße enorm hochschnellen lässt, steht Marie Schöneburg ab Sonntag in dem Stück „Fettes Schwein“ auf der Bühne: als selbstbewusste Frau, die keineswegs verzweifelt über ihre Dickleibigkeit ist. Doch wie fühlt man sich als Schauspielerin, wenn man das „fette Schwein“ spielen „muss“?

Marie Schöneburg, eine attraktive junge Frau mit langem blonden Haar und einnehmend natürlicher Ausstrahlung, hat damit offensichtlich kein Problem. Sie lacht entspannt in ihrer leuchtend rot-weiß-gepunkteten Bluse. „Fettes Schwein – das sagen die anderen. Helen ist klug und charmant. Schlagfertig tritt sie der dürren Welt entgegen. Und wird auch mit ihren geschätzten 150 Kilo sexy aussehen.“

Die 28-Jährige fühlt sich ihrer Figur sehr nahe. Das Stück kannte sie schon vom Studium und hatte gehofft, dass es irgendwann auf sie zukommen wird, erzählt sie im Babelsberger „Lindencafé“, gleich neben ihrer Wohnung, während ihre Mutter mit der erst vier Monate alten Tochter Rosa im Kinderwagen spazieren fährt. Klar, sei es anstrengend: die Doppelbelastung als junge Mama und Hauptdarstellerin. Aber sie ist auch sichtlich zufrieden. Und diese entspannte Lockerheit hat ihr wohl auch geholfen, diese Rolle zu bekommen. Neben Regisseur und Intendant war auch ihr Bühnenpartner Andreas Schmidt, bekannt aus dem Kinofilm „Sommer vorm Balkon“, dabei, als sie an der „Komödie“ vorgesprochen hatte. „Ich war gerade im fünften Monat schwanger und ausgefüllt von Glückshormonen.“ Mit ihrem jetzt umgeschnallten Watte-Body fühle sie sich wieder ein bisschen wie schwanger. „Es ist eine ganz andere Körperlichkeit.“

Marie hätte gern noch mehr Züge von Helen, die überhaupt nicht „schinant“ sei, sich nicht schäme. „Äußerlichkeiten interessieren sie einfach nicht.“ Doch nun ist diese lebensfrohe Frau in Tom verliebt und der schämt sich durchaus vor seinen durchtrainierten Freunden, die nur an Salatblättern kauen, für die Körperfülle Helens. Immer mehr lässt er sich von dem Gespött seiner Kollegen verunsichern. „Sei ganz klar und ehrlich“, fordert Helen, aber genau dazu ist Tom zu schwach. Was aber wird aus einer Liebe, die dem normierten Bild offensichtlich entgegensteht? Darüber wird die Komödie des US-Amerikaners Neil LaBute, der selbst Zeit seines Lebens mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte, aus unterschiedlicher Sicht erzählen.

Für jede der vier Szenen, in denen Helen auftritt, wurde für sie ein extra Kostüm genäht. Immer in großem Schick. „Am Ende bin ich dann auch im Badeanzug zu sehen. Da muss ich dann meine eigenen Schenkel zur Schau stellen: vor 500 Leuten. Das fällt mir schon schwer. Aber genau darum geht es ja in dem Stück: sich zu dem zu bekennen, was man ist. Dann bin ich auch wieder stolz, dass ich genau diese Rolle verkörpern darf.“ Marie Schöneburg nimmt diese Rolle sehr ernst. Sie will Helen als einen Menschen zeigen, den man nicht auf seine Fülle reduziert, sondern in seiner ganzen Art sieht.

Die in Töplitz aufgewachsene Schauspielerin, die als kleines Mädchen mit dem Fahrrad durchs Dorf sauste und im Kinderdorf ihr Pflegepferd ritt und striegelte, war schon als Kind etwas molliger als ihre Freundinnen. „Aber das war nie ein Problem. Ich war deshalb keine Einzelgängerin. So wie ich darüber nicht nachdenke, dass ich eine Blondine bin, denke ich auch nicht über mein Gewicht ständig nach“, sagt sie. Dennoch hat sie alle Diäten, die es gibt, mit dem bekannten YoYo-Effekt hinter sich. Sollte sie sich irgendwann noch einmal dazu entschließen, den Pfunden zu Leibe zu rücken, dann nur noch an der Seite einer Ernährungsberaterin. Wenn das Stück abgelaufen ist und sie ihren Partner im Babyjahr ablöst, wird erstmal mit Rückbildungsgymnastik begonnen, um die alte Vitalität wieder zu erlangen.

Ein kleines Tief aufgrund ihrer Maße hatte Marie Schöneburg nur nach dem Studium am Mozarteum in Salzburg. „Ich dachte, viele Leute werden mich fragen, willst Du bei uns spielen? Aber nichts.“ Die längste Schwarzhaarige und die rundlichste Blondine bekamen als einzige keine Festengagements, dafür aber Gastverträge. „Um so kleiner ein Theater ist, um so mehr muss ein Schauspieler alles abdecken können. Da ist kein Platz für spezielle Typen.“ Dabei hätte sich Marie Schöneburg, die bereits mit 14 Jahren im Offenen Kunstverein Potsdam in den tollsten Rollen auf der Bühne stand, durchaus vorstellen können, auch das Gretchen oder die Julia zu spielen. „Ich weiß schließlich auch, was Liebe ist.“ Dennoch wird sie es wohl „nur“ zur Amme schaffen. „Intendanten besetzen nicht immer so mutig, vielleicht weil sie den Zuschauern nicht solch eine Fantasie zutrauen.“ Die einzige füllige deutsche Schauspielerin, die ihr einfalle, und die auch international erfolgreich ist, sei Marianne Sägebrecht.

Dennoch stellt sich die temperamentvolle Babelsbergerin nicht unter Druck. „Ich sage nicht, die Schauspielerei ist mein Leben.“ Dazu gehören auch Familie, Reisen und mindestens drei Kinder. Inzwischen kann sie sich wieder stärker auf ihren Beruf konzentrieren, auch wenn sie der Wettlauf gegen die Zeit in Atem hält. Da Schauspielkollege Andreas Schmidt auch junger Vater ist, wird mitunter beim Skypen von zu Hause aus „Text gemacht“.

Wenn Marie Schöneburg auf der Bühne steht, bekommt sie durchaus positives Feedback. Das war in der bat-Studiotheater-Inszenierung „Einer wie ich würde mich vom Springen auch nicht abhalten“ von Reto Finger so, in der sie sogar noch im achten Monat bei den Salzburger Festspielen auftrat. Und auch in „Endstation Sehnsucht“ im Alten Schauspielhaus Stuttgart, „wo ich allerdings nur gefühlte sieben Minuten im Einsatz war“. Den Regisseur Folke Braband hat sie ganz sicher überzeugt, denn er inszeniert jetzt auch „Fettes Schwein“.

Natürlich hofft die offenherzige Frau, dass viele aus der Filmbranche gerade jetzt zur Berlinale in die „Komödie“ kommen werden, um ihre bekannten Mitspieler Andreas Schmidt und Oliver Mommsen zu sehen. Und vielleicht dabei ja auch ein Auge auf sie werfen. „Die Rolle der Helen weckt jedenfalls Interesse. Ich habe noch nie so viele Interviews gegeben und war noch nie auf so einem riesigen Plakat.“ Das macht ihr auch ein bisschen Angst. „Das Unbefangene ist weg seit der Schauspielschule, wo sich alles nur um dich drehte und du ständig analysiert wurdest: Wie hältst du deine Hände, warum lässt du dich so nach vorne fallen?“ Marie Schöneburg hat jetzt die große Chance, sich vor einem großen Publikum zu zeigen. „Ich glaube sehr an mich und habe ein gutes Gefühl.“ Sollte es mit der Karriere dennoch nicht klappen, dekoriert sie eben Kinderzimmer, sagt sie lachend und eilt davon. Rosa wartet. Und die nächste Probe. Und ganz sicher bald wieder neue spannende Rollen.

Premiere am Sonntag, dem 19. Februar, um 20 Uhr in der Komödie am Kurfürstendamm Berlin, auf dem Spielplan bis zum 1. April

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