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Kultur: Ein Unruhegeist

Tobias Rott spielt ab Sonntag im Schlosstheater die Titelrolle in Peter Shaffers „Amadeus“

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Tobias Rott spielt ab Sonntag im Schlosstheater die Titelrolle in Peter Shaffers „Amadeus“ Von Heidi Jäger Der kleine bayrische Junge in Lederhosen ist nicht mehr auszumachen. „Dabei war ich ein richtiger Naturbursche, aufgewachsen zwischen drei Fischreihern und zwei Rehgehegen." Doch sowohl in der Sprache als auch räumlich und mental hat sich Tobias Rott längst von der Heimat verabschiedet. Heute sind es nicht mehr die Berge, sondern das Meer und das flache Land, zu denen er sich hingezogen fühlt. Seine Zelte hat er indes zur Zeit in Berlin, mitten im Großstadttrubel, aufgeschlagen. „Und das ist gut so. Jedenfalls im Moment." Tobias Rott ist ein Unruhegeist, viel zu „jibbelig", als es in so einer braven Gegend wie Bayern und auch anderswo auf Dauer auszuhalten. Beruflich hat er sich jetzt erst einmal auf Potsdam eingelassen - und ist sehr zufrieden dabei. Schließlich jagt eine Herausforderung die andere. Gleich in seiner ersten Arbeit am Hans Otto Theater - „Die Hermannsschlacht"- spielte er die Hauptrolle. Auch in „Bedeutende Leute" und „Haus und Garten" galt es, größere Rollen zu stemmen. Und jetzt gibt er die Titelrolle in Peter Shaffers „Amadeus", mit Uwe Eric Laufenberg als „Gegenspieler". Schließlich verkörpert dieser den Salieri, Mozarts Todfeind und Verhinderer. „Es ist schon ein komisches Gefühl, wenn du den Intendanten als Mitspieler hast. Wir haben uns aber gut zusammen gefriemelt und es macht Spaß." Für Tobias Rott, bekennender Fan der Blechbüchse - „in der man rauchen, Wasser verschütten, einfach alles machen kann" - ist das museale Schlosstheater als jetziger Probenort mitunter auch etwas hemmend. „Dennoch glaube ich, dass Amadeus nicht bieder wird und ich hoffe auch, dass die Leute etwas mit unserer Interpretation anfangen können." Keineswegs versuche er das historische Original zu kopieren. „Das wäre komplett vermessen. Ich bin nicht das Genie, sondern Schauspieler und lebe über 200 Jahre später. Ich versuche, den Menschen zu verstehen, und ich glaube, dass er extrem exzentrisch war. Mozart hatte Schwierigkeiten, mit seinem Umfeld umzugehen. Er verhielt sich allen wichtigen Menschen gegenüber wie eine Sau. Das lag sicher mit an seinem sehr dominanten Vater, der sich um alle Belange des Sohnes gekümmert hat. Dadurch behielt Amadeus etwas Infantiles, etwas Kindliches in der Denkstruktur." Er erinnere ihn ein wenig an einen Behinderten mit Down Syndrom, den er in einem Sozialpraktikum kennen gelernt habe. „Der warf immer mit Blumentöpfen auf Leute, die er nicht leiden konnte. Von dieser Direktheit, Gefühle zu äußern, hat auch Mozart etwas." Doch in dem Stück gehe es nur peripher um den echten Mozart, eher um das Verhältnis von Genie und Mittelmaß, Gut und Böse, Vater und Sohn, letztlich um das Leben. Um sich in seine Rolle hinein zu finden, las Tobias Rott eine Biografie von Mozart, hörte vor allem aber dessen Musik: „bis zum Exzess. Und ich wurde ihrer nicht müde. Mit 18 fand ich diese Musik noch tüddelig-heiter. Mozart ist aber nicht nett, wird aber oft zu gefällig gespielt. Das Düstere, was aus der Tiefe kommt, wird oft nicht berücksichtigt. Vielleicht muss ich selber noch mal Dirigent werden", sagt er in seinem scherzhaft-kessen Ton. Aber das Musikalische begleitet durchaus sein Schauspielerleben, und er würde auch gern wieder mal auf der Bühne singen, so wie in „Cabaret" als Conferencier. Diese Rolle gehört zu seiner Zeit in Koblenz, seinem ersten Engagement nach dem Studium in Hamburg. „In Koblenz gab es nur zwei junge Schauspieler, und so teilten wir alle großen Rollen unter aus auf." Nach zwei Jahren war ihm Koblenz zu eng und er ging nach Hamburg zurück. Nunmehr freiberuflich. „Ganz so mutig war ich dann aber doch nicht, ich suchte nach einem Jahr wieder das stete Einkommen; nun am Staatstheater Mainz. Ein deutlich größeres Haus und nun war ich auch nicht mehr ganz so viel zu Gange." Mit einer Kollegin brachte er einige Zwei-Mann-Shows auf die Bühne, „ich sang, tanzte, scherzte." Nach drei Jahren war es wieder so weit: „Ich brauchte Luftveränderung. Was lag näher als Berlin?" Nun begann er aber auch das Theaterspiel zu hinterfragen, seine Rolle als „Erfüllungsorgan". „Aber in dieser Neuorientierung kamen mir leider keine gloriosen Ideen. Ich schrieb ein Stück, das niemand aufführte, machte ein paar Filmgeschichten - und tat ganz viel gar nichts." Das war ihm mit der Zeit zu wenig und er schaute wieder aufs Theater. Diesmal nach Potsdam. „Man sagte mir zwar, der Laufenberg werde sicher Wäschekörbe voll Bewerbungen haben, aber ich versuchte dennoch mein Glück." Er wurde genommen und gleich „mit der ganz fetten Rolle des Hermann strapaziert, was aber auch wahnsinnig Spaß gemacht hat." Als er in der Open-Air-Geschichte „Haus und Garten" spielen sollte, war er sehr skeptisch. „Ich bin schon mal in den Semesterferien mit einem Straßentheater durch die Lande getingelt. Aber es war bei weitem nicht so, dass die Massen bei unserem ,Diener zweier Herren'' nur so stehen blieben. Wir motivierten uns dann immer mit den Worten: ,Du musst für den Brunnen spielen''." Das war auf der Freundschaftsinsel indes nicht nötig. Und Tobias Rott konnte somit seine Open-Air-Verdrossenheit abschütteln. Nach der Amadeus-Premiere am Sonntag warten bereits die nächsten Herausforderungen. „Ich darf in ,Kabale und Liebe'' den Wurm spielen, worauf ich mich tierisch freue." Am kommenden Montag kann man ihn mit Fontanes „Die Poggenpuhls" erstmals auch in einer Lesung erleben, was bei seiner gestenreichen Veranlagung sehr szenisch zu werden verspricht. Auch eine kleine Regiearbeit im Varieté Walhalla ist geplant. „Ich denke noch nicht darüber nach, ob es mutig ist, sonst kriege ich Angst" - was man ihm nur bedingt glauben mag. Schließlich hat er ja schon mit seinen Shows, die er sich auch in Potsdam vorstellen könnte, ein wenig Erfahrung. Wie lange es ihn am Hans Otto Theater halten wird? „Im Moment denke ich, es könnte vielleicht die drei Jahre überschreiten, schließlich ist ja auch die Eröffnung des neuen Hauses spannend. Als ich im Sommer in Portugal am Strand saß, dachte ich indes: Soll ich nicht einfach sitzen bleiben? Nun - ich bin wieder hier. Und das mit dem am Strand sitzen, werde ich noch etwas hinaus zögern." Premiere, Sonntag 23. Oktober, 19 Uhr, Schlosstheater

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