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Kultur: Ein wahrer Glücksfall Meesun Hong Coleman als Kammermusikerin
Wenige Minuten vor Beginn eines Konzerts. Das Orchester hat Platz genommen.
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Wenige Minuten vor Beginn eines Konzerts. Das Orchester hat Platz genommen. Die Zuhörer erwarten den Dirigenten sowie den Solisten. Doch im Orchester gibt es Akteure, die während der Proben und des Konzerts wichtige Positionen einnehmen. An erster Stelle stehen die Konzertmeisterin oder der Konzertmeister. Längst hat es sich durchgesetzt, dass Frauen als Konzertmeisterinnen fungieren. Die Kammerakademie Potsdam hat neben Peter Rainer, der seit 14 Jahren am ersten Pult sitzt, also von Anfang an dabei ist, zwei Geigerinnen in der Führung: Yuki Kasai und Meesun Hong Coleman.
Die Violinistin Meesun Hong Coleman, eine US-Amerikanerin mit südkoreanischen Wurzeln, wurde nach mehreren Projekten sowie einem obligatorischen Konzertmeister-Probejahr von den Mitgliedern der Kammerakademie in ihrer Funktion bestätigt. Ihre Kolleginnen und Kollegen schlossen sie ins Herz, musikalisch und menschlich. „Es steht und fällt ziemlich viel mit einem Konzertmeister“, sagt Meesun Hong Coleman im Gespräch mit den PNN. Man könne sehr viel beeinflussen – gerade was das Zusammenspiel in der gesamten Streichergruppe angeht. Doch man ist Teil des gesamten Orchesters. „Eine gute Kommunikation und Koordination zwischen den Musikern, dem Dirigenten und auch dem Solisten gehören zu den Aufgaben eines Konzertmeisters. Dies trägt zum Gelingen eines Konzerts bei“, sagt die Violinistin.
Nach der Elternzeit, die sie nach der Geburt ihrer zwei Kinder nahm, ist sie seit Beginn der Saison wieder aktiv dabei. Am Sonntag machte sie im Foyer des Nikolaisaals deutlich, dass ihr auch die Kammermusik am Herzen liegt. Gemeinsam mit dem Pianisten David Saliamonas unternahm sie einen musikalischen „Sonntagsspaziergang“ bei „wechselhaftem Wetter“: bewölkt, heiter, stürmisch und regnerisch. Violinsonaten von Leos Janacek, Sergej Prokofjew, Ludwig van Beethoven und Johannes Brahms waren dabei die initiierenden Begleiterinnen. Voller Enthusiasmus machten sich die beiden Künstler auf den Weg und konnten am Ende den herzlichen Beifall des Publikums ernten.
So wurden bei der 1921 vollendeten Sonate von Janacek das expressive Klangkolorit und die verschiedenen Themenanleihen aus der Oper „Katja Kabanowa“ deutlich erkennbar. Meesung Hong Coleman und David Saliamonas trugen dem rhapsodisch-leidenschaftlichen Gestus der Komposition mit ihrem eindrücklichen Spiel Rechnung und betonten besonders die gesanglichen Gedankenfetzen. Mit packender Ausdruckskraft wussten sie der Sonate Nr. 1 f-Moll von Sergej Prokofjew eine differenzierte und dichte atmosphärische Darstellung zu geben. Beethovens „Frühlingssonate“ sowie die „Regensonate“ von Johannes Brahms vervollständigten das spannende Programm. Die Kantabilität des Brahms’schen Opus kam im letzten Satz besonders gut zum Ausdruck, in dem ihn Meesung Hong Colemans mit duftig hingehauchten Tönen feinsinnig gestaltete. So mancher anwesende Kollege von der Kammerakadmie freute sich über den großen Erfolg der Konzertmeisterin bei diesem „Sonntagsspaziergang“.
Die Geigerin genießt das Musizieren mit der Kammerakademie, weil man mit den 20 bis 30 Mitgliedern auch das sinfonische Repertoire kammermusikalisch erarbeiten kann und den Werken eine wunderbare Transparenz verleihen kann. Besondere Freude mache es ihr, wenn alle drei Konzertmeister mitwirken. Das sei immer ein großartiges musikalisches Geben und Nehmen. Beim Beethoven-Zyklus im vergangenen Jahr konnte man diese Besetzung im Nikolaisaal erleben.
Chefdirigent Antonello Manacorda hat sie eigentlich nach Potsdam geholt. „Er hat mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, in der Kammerakademie zu musizieren. Wir kannten uns vom Mahler Chamber Orchestra her, denn Antonello war dort Konzertmeister“, erzählt Meesun Hong Coleman. „Ich sagte zu. Und es war für mich ein Glücksfall.“ Auch wollte sie unbedingt vielfache Klischees über Bord werfen, dass amerikanische Musiker laut und oberflächlich, Koreaner laut und ohne Gefühl musizieren. Das beweist sie nun nicht nur in Potsdam, sondern auch als Konzertmeisterin der Camerata Bern und anderswo in Europa. Klaus Büstrin
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