Kultur: Ein zärtliches Gefühl für jedermann Hermann van Veen im Nikolaisaal
„Ich hab ein zärtliches Gefühl für jede Frau, für jeden Mann, für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann.“ Sein wohl berühmteste Lied sang Herman van Veen während seines Konzert am Donnerstag nicht.
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„Ich hab ein zärtliches Gefühl für jede Frau, für jeden Mann, für jeden Menschen, wenn er nur vollkommen wehrlos lieben kann.“ Sein wohl berühmteste Lied sang Herman van Veen während seines Konzert am Donnerstag nicht. Doch all die Lieder, die er im ausverkauften Nikolaisaal zum Besten gab, warteten mit der einen Botschaft auf: Ich hab ein zärtliches Gefühl für jedermann. Sie erzählten von alltäglichen Begebenheiten, Liebenswürdigkeiten, Vertracktheiten und Bitternissen, vom Lachen, vom Weinen, von der Liebe und vom Tod. Herman van Veen ist ein scharfer Beobachter, doch ein eher vorsichtiger Erzähler. Mit leisen Tönen, geistreichen und heiteren Worten prangert er Ungerechtigkeiten an, doch nie verletzend oder bösartig. Aber seine Texte sind vielfach gefüllt mit ironischen Anmerkungen. Und für all das wunderbare und manchmal verkorkste Dasein von Menschen weiß der singende Holländer ein bewegendes „Kyrie eleison“, ein „Herr erbarme dich“, in den Raum zu werfen.
Mit neuen wie bekannten Liedern blickt der 68-Jährige auf seiner neuen CD und seiner Tournee „Für einen Kuss von Dir“ auch auf sein eigenes Leben zurück. Lapidar fällt die Einschätzung aus: „Die Kinder sind gelungen, die Ehe nicht“, um sogleich die Gefühle eines Trennungskindes in dem Lied „Küsschen“ sensibel umzusetzen. Mit der Bemerkung „Das Wort Küsschen ist für Holländer kaum auszusprechen“ kommentierte er dieses Lied und ließ somit Traurigkeit nicht aufkommen. Andere Van-Veen-Klassiker wie „Anne“, „Eine kleine Frist“ oder „Ich lieb Dich noch“ mischten sich mit neuen Liedern wie „Lucas“ oder dem nachdenklichen Resümee „Auch wir, kleine Titanen“.
Der Sänger, Poet, Pianist, Gitarrist und Violinist kann das Publikum souverän und köstlich allein unterhalten. Er ist ein echter und unverwüstlicher Entertainer. Doch in den Nikolaisaal brachte er erstklassige Musiker mit: Edith Leerkes an der Gitarre und Jannemien Cnossen mit der Violine, die auch stimmstark singen können, sowie Dave Wismeijer, Bassgitarre, und Willem Wits, Percussion. Und natürlich ist der Pianist und Akkordeonist Erik van der Wurff aus dem Mitwirkenden-Kreis nicht wegzudenken. Herman van Veen erzählte, dass er vor 50 Jahren an der schwarzen Tafel der Universität Utrecht einen Zettel anbrachte, auf dem er eine junge und hübsche Pianistin suchte. Gemeldet habe sich aber Erik van der Werff, seitdem sein ständiger Begleiter.
Die melancholischen und fröhlichen Texte kommen in den Vertonungen, die Herman van Veen fast alle selbst besorgte, gut zur Geltung. Er bevorzugt bekanntlich die einfache Melodielinien, die ihre Basis im Sprechgesang haben, und sich, wenn man sie drei Stunden hintereinander hört, doch sehr ähneln. Manchmal wünschte man sich ein paar neue Einfälle, die auch Kunstvolleres mit aufnehmen. Doch durch die instrumentale Begleitung, teilweise improvisiert, gewinnen die Lieder an Farbe und Drive.
Die Überraschung kam zum Schluss. Der Vorhang öffnete sich und das Deutsche Filmorchester Babelsberg wurde musikalischer Partner. Vier Titel und einige Zugaben hatte man vorbereitet, in denen noch einmal melancholische und fröhliche Geschichten pointiert erzählt wurden. Der Jubel im Nikolaisaal war groß. Und es schien, dass der von Energie nur so geladene Herman van Veen gern weitergemacht hätte. Klaus Büstrin
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