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Kultur: Eine Art Liebe

Malerei und Dichtung im Einstein-Forum mit Durs Grünbein, Joachim Sartorius und Michael Fried

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„Ein Mischding“ sei der Abend, der auf das Publikum warte, sagte dieser Tage im Einstein-Forum dessen Direktorin, Susan Neiman. Gemischt war tatsächlich die Sprache, Amerikanisch und Deutsch, und ungewöhnlich die Texte, die drei herausragende Männer präsentierten: Allesamt lasen sie eigene Gedichte, denen die Betrachtung eines oder mehrerer Kunstwerke voranging. Die Verbindung zwischen „Poetry and Images“ – so der Veranstaltungstitel – sollte eruiert werden, was, wie sich herausstellte, gar nicht so einfach ist. Der wohl gegenwärtig bekannteste deutsche Dichter Durs Grünbein, der Berliner-Festspiele-Leiter Joachim Sartorius und der amerikanische Kunsthistoriker Michael Fried lasen nacheinander Lyrik, die ihren Schreibimpuls einem Kunstwerk verdanken. Alle drei, das war sicht- und hörbar, vereinte die Liebe zur Kunst der Malerei und die zur Sprache.

„Da sitzt für immer euer Distelfink / vor einer Wand / die das Jahrhundert war“ dichtete Grünbein nach einem „kleinen Brettchen“ von Carl Fabricius, einem Delfter Maler aus dem 17. Jahrhundert. Er geht in seiner dichterischen Interpretation über das Bild hinaus, wirft sich aber am Ende dem Maler ehrerbietig zu Füßen: „Bitt ich um eins euch nur / dass Ihr mir klar zu sehen helft“. Und in diesem letzten Vers fand sich, was die anschließende Diskussion zwar nicht ansprach, die eigentliche Erkenntnis: dass die Malerei nicht nur Ansporn für Lyrik, sondern Erkenntnishilfe zur Welt- oder Augenblicksdurchdringung sein kann. Grünbein nahm das Publikum durch seine prägnanten Bildbetrachtungen und starke Sprache ein. Seine Interpretation des einzigen Winterbildes von Rembrandt, gemalt auf ein „kleines Brotschneidebrettchen“ im Jahr 1646, bezog Grünbein auf die persönliche Situation des Malers, der sich zu der Zeit als „geschlachteter Ochse“ fühlt.

Manets „Déjeuner sur lherbe“ markiere für ihn den Umschwung zur Moderne, sagte Michael Fried. Er warf ein Foto des für ihn wichtigsten Bildes an die Wand und zeigte, noch ganz Kunsthistoriker, den Vogel oben im Bild und den Frosch unten links am Rand. Beide Details nutzt er in seinem Prosa-Gedicht, das ihm drei Jahre, nachdem er ein ordentliches kunsthistorisches Buch über Manet geschrieben hatte, einfach „passierte“. Darin kommt der „wütende Frosch“ vor und das Erstaunen über die Farbe, die noch jetzt „nass“ wirkt, als sei sie soeben aufgetragen worden. Sehr nachvollziehbar sprach Fried über den Unterschied der Textsorten: Während die Prosa es offenbar nicht ermögliche, Kunstwerke tatsächlich zu erfassen, erlaube die lyrische Sprache einen ganz anderen, offeneren Zugang. Joachim Sartorius präsentierte Gedichte, die Bilder nicht einzeln ansprachen, sondern die Malerei als Anlass benutzten, um zum lyrischen Ausdruck zu gelangen. Der allerdings hatte viel mit intensiver ästhetischer Erfahrung zu tun, so bei dem „Gemälde vom Reiskuchen“, das ein imaginäres japanisches Gemälde besingt, wobei starke sinnliche Empfindungen allein durch die Vorstellung des Bildes hervorgerufen werden: „Du hörst die Farbe, die die Form allein nicht hält“ heißt es und dies sei nur möglich „wenn Liebe in ihm ist“. Liebe wurde als Wort und Wert auch nicht benutzt in der Diskussion, die versuchte, die Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Künsten herauszufinden, aber es war eindeutig, dass eine Zugeneigtheit zur Kunst die Voraussetzung für ihre wie auch immer geartete Umsetzung sein muss – und das war dann doch eine Erkenntnis. Lore Bardens

Lore Bardens

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