Kultur: Eine beiläufige Art moderner Ode
Buchpremiere von Lutz Seiler in der Villa Quandt
Stand:
Dass der Dichter Lutz Seiler zu den besten gehört, die derzeit im Land Brandenburg leben, dürfte inzwischen bekannt sein. Nach sieben Jahren, in denen Seiler mehrere Bände mit Erzählungen und Essays publiziert hat, ist nun erneut ein Band mit Gedichten erschienen. Jetzt wurde das vom Suhrkamp Verlag publizierte Buch mit dem Titel „im felderlatein“ in der sehr gut besuchten Villa Quandt erstmals in der Öffentlichkeit präsentiert.
Lutz Seiler las einige Gedichte daraus und gab im Gespräch mit Hendrik Röder vom Brandenburgischen Literaturbüro kleine Einblicke in die Werkstatt des Dichters. Für ihn seien Prosa und Lyrik zwei völlig verschiedene Arten in der Welt zu sein, sagte Lutz Seiler, der für seine Sprachkunst eine stattliche Anzahl von Auszeichnungen erhalten hat. Während das Schreiben von Prosa Anwesenheit, Schauen und Zuhören erfordere, sei bei der Anfertigung von Lyrik ein „Zustand der konzentrierten Abwesenheit“ förderlich. Das Schreiben von Prosa habe Seiler lockerer für Gedichte gemacht habe.
So fänden sich im neuen Band „im felderlatein“ eine Reihe von Rohdiamanten, Gedichte, die schon seit vielen Jahren in der einen oder anderen Gestalt existierten, aber in die früheren Publikationen nicht eingegangen waren. Wie etwa das Gedicht „die fussinauten“, das Seiler seinen Fußballfreunden gewidmet hat, eine ebenso herzliche wie scheinbar beiläufige Art moderner Ode. Bei der gemeinsamen Suche nach Fußballfeldern kommen die Argonauten der Jetztzeit durch Berlin, Potsdam und Umgebung. Orte und Räume bilden hier wie so oft bei Lutz Seiler den konkreten Hintergrund für lyrische Gestalten, deren einzigartige Form weit über den individuellen Moment hinausweist. Wie zum Beispiel in „geruch der gedichte“, wo der Mutter gedacht wird, die sonntags thüringische Klöße kochte, während sie den kleinen Jungen Gedichte rezitieren ließ. So nüchtern wie sachlich stellt das lyrische Ich fest: „ich lernte das alles von ihr: erst ohne Betonung dann mit“.
Es ist diese im konkreten Sein wurzelnde Sachlichkeit, die Lutz Seilers Gedichten anrührenden Halt gibt, wie etwa in „herbst“, wo Erleben und Gedanken wundersam zusammenfließen:
„>gott, was sind die kiefernspitzen plötzlich oben rot!
Überhaupt die Kiefern – bei ihnen gerät der sympathische Thüringer ins Schwärmen und erzählt vom „Kieferversammlungsplatz“ hinter seinem Haus. Nicht nur mit den Kiefern ist er im Gespräch, sondern auch mit dem Dichter Peter Huchel, dem ersten Bewohner des Wilhelmshorster Hauses. Glücklicherweise kommt er nicht ins Gehege mit ihm, der immer noch sehr präsent in diesem Hause ist, aber „in einem anderen Zimmer“. Für den besonderen Zustand der lyrischen Sedierung muss man erreichbar sein. Vielleicht gelingt dies erst in besonderen Situationen, wie in einem lyrischen Werk beschrieben, das Seiler als „fast mein Lieblingsgedicht“ bezeichnet:
„wer hinter geht / hat seine eigene welt, ganz leicht / fällt alles vom geräusch / der schritte ab / ins laub du hörst/“
Die neuen Gedichte von Lutz Seiler laden den Leser zum Verweilen in dieser eigenen Welt ein. Babette Kaiserkern
Babette Kaiserkern
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: