
© A. Klaer
Das besondere Objekt im Filmmuseum: Eine Brille erzählt von Buchenwald
Pars pro toto, ein Teil steht fürs Ganze – so die Prämisse der Sonderausstellung „Das besondere Objekt“. Seit Ende letzten Jahres gibt das Filmmuseum mit der minimalistischsten aller Ausstellungsformen unsichtbaren Dingen einen Ort – und zwar eine Vitrine im Foyer.
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Pars pro toto, ein Teil steht fürs Ganze – so die Prämisse der Sonderausstellung „Das besondere Objekt“. Seit Ende letzten Jahres gibt das Filmmuseum mit der minimalistischsten aller Ausstellungsformen unsichtbaren Dingen einen Ort – und zwar eine Vitrine im Foyer. „Wir wollen wissen, wie die Objekte ohne größere Einbettung wirken und was sie uns heute noch erzählen können“, sagt Renate Schmal von der Sammlung des Filmmuseums.
Gleich zwei 95. Geburtstage feierte das Filmmuseum mit dem besonderen Objekt. Zuletzt den von Werner Bergmann – lange Jahre Kameramann bei der DEFA und enger Vertrauter von Konrad Wolf. Nachdem zu diesem Anlass das Dreh- und Skizzenbuch zu „Zurück ins Leben“ von 1948 ausgestellt wurde, zeigt das Filmmuseum seit vergangenem Dienstag zu Ehren Herbert Köfers die Brille der Figur des SS Hauptsturmführers Kluttig. Den stellte Köfer im DEFA-Film „Nackt unter Wölfen“ von 1963 dar. „Diese Rolle war wichtig. Auch für ihn persönlich. Es war eine Rolle, die das Unangenehme im Deutschen, diesen Untertanen-Geist, ausgelotet hat. Geliebt worden ist er aber wohl mehr für die heiteren Geschichten. Er kann einfach hervorragend unterhalten“, sagt Schmal. So wurde Köfer siebenfach mit dem „Fernsehliebling“, einem Publikumspreis der DDR, ausgezeichnet, unter anderem für „Rentner haben niemals Zeit“: mit der Theaterversion tourt er gerade durch Ostdeutschland.
Sonst Komödiant, gibt er in „Nackt unter Wölfen“ den Unbarmherzigen. Der Film von Frank Beyer über eine Gruppe von Kommunisten, die einen jüdisch-polnischen Jungen vor der Lagerführung versteckt halten – und so vor dem Tod durch die Gaskammer bewahren – gehört in der DDR zu den Klassikern der antifaschistischen Aufklärung. Die Romanvorlage von Bruno Apitz, selbst Kommunist und Buchenwaldhäftling, zählt in den Schulen zur Pflichtlektüre: ein Heldenepos des kommunistischen Widerstands. Später gab sie Anlass zu scharfer Kritik, als die Forschung mit einigen Mythen aufräumte. Denn weder befreiten die Häftlinge das Lager durch einen von den Kommunisten angeführten Aufstand selbst, noch war die Rettung des kleinen Jungen – angelehnt an das Schicksal von Stefan Jerzy Zweig – ein bloßer Akt der Menschlichkeit. Im Gegenteil: an seiner Stelle wurde ein Sinto-Junge in den Tod geschickt. Apitz nutzte seinen Roman wohl auch dazu, den Ruf der Genossen zu rehabilitieren, denn der hatte aufgrund der Kooperation der kommunistischen Lagerführung mit der SS stark gelitten. Gerade die entmythifizierte Sicht von heute gab 2015 wohl auch Anlass zur bereits dritten Adaption, die die Geschehnisse in Buchenwald differenzierter darzustellen versuchte.
Klar ist: Auch wenn es nicht den Anschein erweckt – das besondere Objekt hat viel zu erzählen.
Theresa Dagge
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