zum Hauptinhalt

Kultur: Eine „Entführung in das Serail“

„Alla Turca“ mit dem Ensemble Saraband und dem Da-Ponte-Oktett im Nikolaisaal

Stand:

Schrecken und Faszination liegen oft dicht beieinander. Zweimal, 1529 und 1683, stand ein türkisches Heer vor Wien. Zweimal war Europa von einer tiefen Türkenfurcht ergriffen. Doch mit diesem Schrecken einher ging auch eine Faszination für das Fremde und Exotische dieses unbekannten Volkes. Als mit dem ausgehenden 17. Jahrhundert das geschwächte osmanische Reich für Europa keine Gefahr mehr bedeutete, wandelte sich die Türkenfurcht in eine Türkenfaszination, die in der Mode, Literatur und der Musik ihren Niederschlag fand.

Mit „Sehnsucht nach fernen Welten“ hatten die Musikfestspiele Sanssouci am Freitag mehrere Veranstaltungen parat: eine Lesung im Drachenhaus sowie Führungen unter anderen zum Thema Chinoiserie.

Man versprach auch eine „Entführung in das Serail“ Sie wollte den orientalischen Einflüssen in der europäischen Musik nachgehen. Geplant war ein Konzert des Da Ponte-Oktetts und des Ensembles Sarband als „klingende Reise“ im illuminierten Ehrenhof des Schlosses Sanssouci. Doch das unbeständige Wetter veranlasste die Veranstalter, das Konzert in den Nikolaisaal zu verlegen. Ein Zusammentreffen traditioneller Musik des Orients mit Mozart, das vom Publikum zum Teil begeistert beklatscht wurde.

Lange blieb dieser Abend ein Nebeneinander europäischer und orientalischer Musik. Zwei Welten trafen hier deutlich aufeinander. Die traditionelle orientalische Musik und der Versuch europäischer Komponisten wie Mozart, diese fremde Musik in ihre Werke einfließen zu lassen. Das Bläseroktett Da Ponte spielte Bearbeitungen aus Mozarts Oper „Entführung aus dem Serail“, die 1782 als Auftragsarbeit zum 100. Jahrestag der Belagerung Wiens durch die Türken entstanden war.

Die Ouvertüre als etwas dünnes aber trotzdem quicklebendiges Eröffnungsspektakel, Arien als reiz- und lustvolles Wechselspiel zwischen Oboen und Klarinetten. Dazwischen das allzu bekannte Rondo alla Turca aus der Klaviersonate A-Dur und der nicht weniger bekannte Marsch der Janitscharen. Zwei ausgezeichnete Beispiele, wie vereinfacht und klischeehaft mit den fremden Tonarten und der vertrackten Rhythmik der osmanischen Musik damals umgegangen wurde.

Das Ensemble Sarband mit traditionellen orientalischen Instrumenten wie Schoßfidel, Trapezzither und Rohrflöte spielte, im steten Wechsel mit dem Da Ponte-Oktett, Janitscharen-Musik und geistliche Lieder aus dem 17. Jahrhundert. Erstaunlich mit welch reglosen Gesichtern die Musiker zum Teil diese entrückte, klagende und oftmals sehnsüchtige Musik spielten.

Zum Abschluss dann im gemeinsamen Spiel das Da Ponte-Oktett und das Ensemble Sarband mit Giovanni Battista Toderinis „Concerto Turco nominato izia semaisi“, Oboe und Schoßfidel hier in einem augenzwinkernden Wettstreit. So faszinierend kann Völkerverständigung sein.Dirk Becker

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })