Kultur: Eine fesselnde, anrührende Deutung Oratorienchor eröffnete Vocalfestival mit Verdi
Das Eröffnungskonzert des diesjährigen Vocalfestivals „Vocalise“ in der Friedenskirche Sanssouci mit dem Oratorienchor Potsdam war zugleich ein Schlusspunkt. Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob hat sich vom Chor und seinem Kantorenamt verabschiedet und ist in den Ruhestand gegangen.
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Das Eröffnungskonzert des diesjährigen Vocalfestivals „Vocalise“ in der Friedenskirche Sanssouci mit dem Oratorienchor Potsdam war zugleich ein Schlusspunkt. Kirchenmusikdirektor Matthias Jacob hat sich vom Chor und seinem Kantorenamt verabschiedet und ist in den Ruhestand gegangen. Mehr als drei Jahrzehnte erfolgreichen Wirkens im Dienste der Musica sacra an der Friedenskirche liegen nun hinter ihm. Die Aufführung von Giuseppe Verdis „Requiem“ am Samstag reiht sich aufs Schönste mit ein.
Die Requiem-Vertonung, 1874 in Mailand uraufgeführt, zählt zu den markantesten, eindrucksvollsten und musikalisch bestechendsten, die das 19. Jahrhundert hervorgebracht hat. Nie für den liturgischen, sondern einzig für den Konzertgebrauch gedacht, galt sie als Verdis „größte Oper“. Man muss weder religiös noch der katholischen Totenmesse kundig sein, um zu begreifen, worum es in dem siebenteiligen Werk geht: um Furcht und Bangen angesichts des ins Leben einbrechenden Todes; um das Flehen nach Trost und Gnade, schließlich um Erlösung.
Die extremen Herausforderungen, die sich der große Musizierapparat zu stellen hatte, wurden durchweg mit Bravour gemeistert. Da bewies der Oratorienchor Potsdam mit sauberer Intonation, klarer Stimmführung, fein ausgeglichenen Registern und wacher Aufmerksamkeit gegenüber dem Dirigat von Matthias Jacob seine besondere Klasse unter den Chören der Region. Da war das Brandenburgische Staatsorchester Frankfurt (Oder) zu erleben, das in bester Präzision sich pointierend ins gesangliche Geschehen einfühlte und mit ihm verschmolz. Und die vier Solisten von hohen Graden. Warm und rund beide Frauenstimmen: der innige Mezzosopran von Frederica Brillembourg trug verlässlich durch den Abend. Der Sopran von Abbie Furmansky glänzte voluminös, konnte aber ebenso durch eine zurückgenommene, schöne Schlichtheit berühren. Bewegend ihre Interpretation des „Libera me“ bis zum ersterbenden Ende des Werks. Thomas Blondelle sang zunächst mit einem etwas metallisch intonierenden Tenor, der im Laufe des Abends jedoch mit gesanglicher Differenzierung immer mehr für sich einnahm. Stephan Klemm führte seinen balsamischen Bass ausgeglichen und mit schöner Linie durch alle Lagen.
Matthias Jacob hat die Qualitäten des großen Ensembles für eine an Farben und Kontrasten reiche, dramatisch geschlossene und nie hemmungslos überschießende Interpretation zu nutzen gewusst. Da hörte man apokalyptischen Furor im zweiten Teil, dem „Dies irae“, ein fast beschwingtes Musizieren beim von Holzbläsern und Streichern umspielten „Offertorio“. Flüssig und von feiner Transparenz die achtstimmige Doppelchorfuge des „Sanctus“. Hinreißend anschließend das von den beiden Solistinnen im Oktavduett eröffnete „Agnus Dei“ mit seiner teils mönchischen Einfachheit bei Chor und Orchester. Zum krönenden Abschluss das erst erregte, dann hoffende, dann in stiller Erfüllung verhauchende „Libera me“, das der Solosopran aus der noch einmal wuchtig aufschäumenden Furcht herausschälte. So entstand eine fesselnde und anrührende Deutung des großartigen Requiems, auf die das Publikum zunächst mit andächtigem Schweigen, dann mit enthusiastischem Applaus antwortete. Matthias Jacob wurde besonders langanhaltend gefeiert. Klaus Büstrin
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