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Kultur: Eine „Fußnote“?

ZZF begann Reihe über das geteilte Deutschland

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ZZF begann Reihe über das geteilte Deutschland Bald 15 Jahre sind seit dem Fall der Mauer vergangen, der Historikern die einmalige Chance bot, auf breiter Quellenbasis die Geschichte eines soeben versunkenen Staates detailliert aufzuarbeiten. Das Wissen über Gesellschaft und Herrschaft in der DDR ist seitdem enorm gewachsen. Doch stellt sich nun immer mehr die Frage, aus welcher Perspektive künftig die Geschichte beider deutscher Staaten zu behandeln ist. Unter dem Motto „Zeitgeschichte im Dialog“ will sich das Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in einer Veranstaltungsreihe dem geteilten Deutschland als „Herausforderung der Geschichtsschreibung“ widmen. Eröffnet wurde die Reihe im Alten Rathaus mit einem Podium zu der Frage, ob die DDR im Zuge einer stärkeren Ausrichtung auf europäische Themen nur mehr eine „Fußnote der deutschen Zeitgeschichte“ bedeute. Der renommierte Publizist Dr. Peter Bender plädierte eindringlich für die „Gleichheit aller Deutschen vor der Geschichte“. Es könne zwar keinen Zweifel darüber geben, dass die DDR nie eine realistische Alternative war, doch sei es wichtig, im Hauptstrom einer bundesrepublikanischen Erfolgsstory den anderen Teil mit seiner Vergangenheit ernst zu nehmen. Eine integrierte Geschichte des geteilten Deutschland, die den jeweils anderen respektiere, sei daher nötig, denn nur so könnten Fehlwahrnehmungen vermieden werden. Eine Gegenposition sollte Manfred Görtemaker, Professor an der Universität Potsdam, formulieren. Schnell wurde jedoch deutlich, dass sich beide Disputanten, trotz unterschiedlich gewählter Perspektiven, gegenseitig eher ergänzten. Görtemaker beantwortete die Frage nach der „Fußnotenfunktion“ zweifach: Natürlich sei die DDR kurzfristig gesehen kein marginales Thema der Zeitgeschichte. Doch in langfristiger Perspektive müssten weitaus starker Brüche und Kontinuitäten der deutschen Geschichte seit dem 19. Jahrhundert betont werden. Zudem spiele die Auseinandersetzung der Ideologien im 20. Jahrhundert und damit auch die Geschichte des gesamten europäischen Kontinents eine überaus wichtige Rolle. Man dürfe nicht vergessen, dass das SED-Regime als Kind der Sowjetunion nie Legitimation besessen habe. Gleichwohl, so gab Peter Bender zu bedenken, wurde der sozialistische Gedanke in weiten Teilen der Bevölkerung verinnerlicht. Zentrale Frage für die Zukunft sei jedoch die Rolle Deutschlands in einem Europa, dass sich seit dem Zusammenbruch des Kommunismus in einem dramatischen Transformationsprozeß befinde. Hierin lägen auch für die Zeithistoriker große Chancen, denn eine Geschichtsschreibung zur europäischen Integration werde immer mehr an Bedeutung gewinnen. Damit nahm Manfred Görtemaker auch Bezug zum aktuellen politischen Geschehen. Das größte Problem der Deutschen sei nach wie vor ihr etatistisches Politikverständnis, dass die derzeitige Bundesrepublik zuweilen als „Fortsetzung der DDR mit anderen Mitteln“ erscheinen lasse. Auslöser der notwendigen Reformdebatte in Deutschland, die er vehement unterstütze, sei demnach weniger die deutsche Wiedervereinigung, als vielmehr die seit Jahrzehnten aufgeschobenen tiefgreifenden Strukturprobleme. Für die Berliner Republik entwickelten sich jedoch mit Blick auf Europa ganz andere Perspektiven, als die alte Bundesrepublik sie in den Zeiten des Kalten Krieges je hatte. Hier könnten, so wurde mehrfach betont, die Deutschen ihre positiven Erfahrungen aus der erfolgreichen Bewältigung einer gemeinsamen Teilungsgeschichte einbringen. Carsten Dippel

Carsten Dippel

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