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Kultur: Eine Huldigung

Grafik-Werkschau Martin Engelmans im Kunsthaus Potsdam

Die Grafik ist die kleine Schwester der Malerei. Sie lebt mit dem Nachteil der Vervielfältigung und somit der Zweifelhaftigkeit der Aura eines Werks, und meist sind die Arbeiten kleiner als bei freier Malerei auf große Leinwände. Sie lebt aber auch durch den Vorteil der Erschwinglichkeit solcher Papiere und durch den Spaß, den die meist einsam arbeitenden Maler in der Kooperation mit den Druckern finden. So zumindest war es bei Martin Engelman, dessen graphisches Werk unter dem Titel „Inspiration für das Malen“ im Kunsthaus Potsdam zu sehen ist.

Der 1924 in Holland geborene Künstler kam 1970 als Professor an die Universität der Künste Berlin, nachdem 1969 in Baden-Baden seine erste große Ausstellung stattgefunden hatte. Sein malerisches Werk wurde in mehreren Personalausstellungen der Öffentlichkeit vorgestellt. Dem Kunsthaus Potsdam fiel nun die Aufgabe zu, das grafische Werk Engelmans, der in Berlin und Südfrankreich lebte und arbeitete, in einer Werkschau zu zeigen.

Der helle hohe Raum erstrahlt in einer dezenten Farbigkeit, die sich aller Grundfarben bedient und dennoch kein überbordendes Entzücken darstellt. Es ist eine sich selbst zurücknehmende Kunst, die auf den Radierungen, Aquatinten, Lithografien und Holzschnitten zu sehen ist und einen Einblick in Engelmans Schaffen von den Anfängen bis zu seinem überraschenden Tod 1992 gibt.

Die mit großer handwerklicher Präzision hergestellten Blätter zeigen die Entwicklung des Künstlers auf. In den sechziger Jahren war er noch deutlich von Max Ernst und den Surrealisten beeinflusst – z.B. in „Un jeu dangereux“. „Ein gefährliches Spiel“ von 1965 zeigt das Schlachtfeld (der Liebe?): Eine zu Tode gestochene Tierdame mit Hufen, aber Frauenbrüsten, liegt auf dem Boden. Vor ihr, zähnefletschend, mit einer Sichel bewaffnet, ein grünstichiger Mann. Während sich andere menschenähnliche Wesen schon in der Niederlage befinden oder noch abwartend ihr kleines Geschlechtsteil in den Vordergrund drängen, wohl in der verrückten Hoffnung, für sie könne es ein Liebesleben ohne Verletzungen geben.

In seinen Zirkusblättern von 1966 stecken ebenfalls ganze Romane. Bei seiner „Danielle“-Serie sind die stark wirkenden Frauenporträts noch erkennbar auf Picassos Einfluss zurückzuführen, und das eingearbeitete „Peace“-Zeichen gibt einen ironischen Wink auf die Zeitgeschichte – Engelman hat sich in Paris an den Mai-Demonstrationen beteiligt – doch schon ab den siebziger Jahren hat er zu seinem eigenen, leichten, heiteren, mehrdeutigen Stil gefunden. Die Umrisse werden nur noch angespielt, das Figürliche ist uneindeutiger geworden, der Intuition, dem Miteinander von Farbe und Form wird mehr vertraut als klaren Bedeutungen. Dabei geht Engelman traditioneller Weise vom Figürlichen aus, Titel wie „je viens te dire bonjour bonjour petit roi“ („ich bin gekommen, dich zu begrüßen, kleiner König“) oder „Zeekop“ von 1972 weisen noch auf das Erzählerische seiner Bilder hin. Doch die Uneindeutigkeit spielt jetzt eine größere Rolle.

Vor allem wirken nun in diesen vielleicht großartigsten Blättern der Ausstellung die Farben orange-gelb-rosa beim „kleinen König“ und helles Blau beim „Zeekop“ auf das Gemüt des Betrachters in sanfter, positiver Weise ein. Selbst in seinen jüngeren Arbeiten aus den achtziger Jahren, in „Oude Man“ (Alter Mann) von 1988 beispielsweise, ist trotz der offensichtlichen körperlichen Schwerfälligkeit etwas Leichtes, Heiteres zu erkennen, das aber nicht mehr die Helligkeit erreicht, die seinen „Printemps“ (Frühling) von 1984 erleuchtet. Die empfehlenswerte Schau ist zu Recht eine Huldigung an diesen entdeckenswerten Künstler.

Bis 7. Mai, Kunsthaus Potsdam, Ulanenweg 9.

Lore Bardens

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