Kultur: Eine Kirche für jeden Anger
Das Kirchbauprogramm von Auguste Victoria
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Wie ein Band ziehen sich an den Innenwänden der Bornstedter Kirche historische Abbildungen von 50 Gotteshäusern hin. Hans von Treichel-Mirbach hat sie zur Erinnerung an das Kirchbauprogramm der Kaiserin Auguste Victoria und an seinen Großonkel Ernst Otto Karl Ludwig Adolf Freiherr von Mirbach zu einer Ausstellung aufgereiht. Dabei geht er von einem 1921 veröffentlichten Bericht des 1890 gegründeten Evangelischen Kirchbauvereins aus, der für die Zeit bis 1902 nicht weniger als 53 Neubauten auflistet.
Sie konzentrieren sich auf Berlin und später eingemeindete Umlanddörfer, doch auch Potsdam bekam einen beträchtlichen Teil ab. Die Stadt verdankt die Pfingstkirche (1894), die Erlöserkirche (1898), die Kirche in Bornim (1903), die nicht erhaltene Betlehemkirche auf dem Neuendorfer Anger (1899) und das Augustastift als Bildungsstätte für „höhere Töchter“ dem Programm, bei dessen Umsetzung die fromme Kaiserin in v. Mirbach einen unersetzlichen Organisator fand. Er sammelte innerhalb von 15 Jahren 12 Millionen Mark, damals eine unglaubliche Summe.
Die erforderlichen Grundstücke erwarb der 1844 in Düsseldorf geborene, 1888 zum Oberhofmeister der Kaiserin berufene Adelige zu außerordentlich günstigen Preisen. Dabei wandte er moderne Methoden an, die Werbefachleute heute als Sponsoring oder Fundraising bezeichnen würden. Für die Kirchenbauten wurden „Bausteine“ verkauft, hohe Spenden konnten mit Orden oder Titeln, ja sogar der Erhebung in den Adelsstand belohnt werden.
Diese Praktiken stießen auf Kritik, die Ernst von Mirbach schließlich zum Rücktritt von seinen Hofämtern zwang. Dennoch gehörte er weiter dem Hofstaat der Kaiserin an. Der bissige Berliner Volksmund witzelte über die „Kirchenjuste“ mit ihrem „Glockenaugust“ und warnte Glatzköpfe davor, ihr Haupt zu entblößen, weil auf der freien Fläche sogleich eine Kirche gebaut werde. Dennoch bleibt Mirbach das Verdienst, Berlin und die Mark um bemerkenswerte Kirchbauten bereichert zu haben, die heute unter Denkmalschutz stehen.
Ein besonderes Kapitel stellen die Kirchen in Palästina dar, das damals zum Osmanischen Reich gehörte. Der Sultan ermöglichte den Hohenzollern, dafür Baugrundstücke zu erwerben. Die Ausstellung zeigt Aufnahmen der Himmelfahrtskirche auf dem Ölberg in Jerusalem, der katholischen Kirche „Marias Heimgang“ auf dem Zion und der Weihnachtskirche in Bethlehem.
Die enge Verbindung der Adelsfamilie mit Potsdam beschränkt sich nicht auf den 1925 verstorbenen Ernst von Mirbach, der in der heutigen Leistikowstraße 18 wohnte und auf dem Bornstedter Friedhof seine Ruhestätte fand. Auch seine Nichte Maimi Freiin von Mirbach lebte von 1914 - 1953 in Potsdam. Als Mitglied der Bekennenden Kirche rettete sie in der Nazizeit zahlreichen Juden das Leben und wurde dafür 1982 mit der höchsten israelischen Auszeichnung „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Erhart Hohenstein
Die Ausstellung wird bis 23. Juli gezeigt. Außer zu den Gottesdiensten ist die Bornstedter Kirche dienstags bis freitags jeweils von 14 - 17 Uhr zugänglich.
Erhart Hohenstein
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