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Kultur: Eine musikalische Sternstunde

Händels „Der Messias“ zum 50. Jubiläum der Potsdamer Kantorei in der Erlöserkirche aufgeführt

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Am Anfang stand Händel. Friedrich Meinel hat kurz nach seiner Amtseinführung als Kantor und Organist der Erlöserkirche vor 50 Jahren mit seiner Kantorei eine klangfreudige, kraftvolle Festmusik von Georg Friedrich Händel aufgeführt: das Dettinger Te Deum. Nach einem halben Jahrhundert Kantorei, zum Jubiläum, gab es wieder Händel. Diesmal „Der Messias“. Kein Erzähler, keine Handlung gibt es in diesem Oratorium. Immer geht es um das Erscheinen des Messias, um das Opfer des Lammes, um die Erlösung einer gefallenen Menschheit.

Die große Bedeutung des „Messias“ steht seit der Uraufführung in London vor mehr als 260 Jahren fest. Stefan Zweig bezeichnete das Werk als eine Sternstunde der Menschheit. Und als eine der zahlreichen musikalischen Sternstunden in der Erlöserkirche kann man auch die Kantorei-Geburtstagsaufführung am Wochenende bezeichnen. Seit fünf Jahrzehnten hat der Chor mit seiner Klangkultur und mit seinen Interpretationen immer wieder das kirchenmusikalische Leben Potsdams und darüber hinaus eindrucksvoll geprägt, 40 Jahre von Kirchenmusikdirektor Friedrich Meinel, seit nunmehr zehn Jahren von Ud Joffe.

Die Potsdamer Kantorei hat klanglich großes Profil. Dies kommt charaktervoll auch beim „Messias“ zum Tragen. Ihre Souveränität war an diesem Sonnabend besonders zu bestaunen, weil Joffe die Chormitglieder nicht nach einzelnen Stimmgruppen aufstellen ließ. Da stand beispielsweise ein Tenor zwischen einer Sopranistin und einer Altistin. Und man spürte dabei keine musikalischen Schwierigkeiten, auch bei schnelleren Tempi nicht. Diese Aufstellung fordert die Sicherheit der Sänger ungemein. In keinem Augenblick gab es einen Zweifel an der Professionalität des Neuen Kammerorchesters Potsdam, das Ud Joffe vor wenigen Jahren aus der Taufe hob. Immer wieder waren Höchstleistungen zu konstatieren: die Trompeter, die Geigengruppe oder die schier unerschütterlichen Celli und der Kontrabass. Beeindruckend auch, wie selbstverständlich das vibratoarme, schlanke Tonideal zum Klingen gebracht wurde.

Ud Joffe, das Neue Kammerorchester sowie die Potsdamer Kantorei sind auf dem Boden der historisch informierten Aufführungspraxis angekommen. Händel profitiert davon noch deutlicher als Bach. Seine Musik ist tänzerischer, extrovertierter, sie will mehr Aufsehen erregen als Innigkeit erzeugen. Klar, Händel war auch der Opernmensch. Aber dennoch hat Ud Joffe keinen drahtig muskulösen Händel aufgeführt, sondern einen mit Spritzigkeit, Zärtlichkeit und musikalischer Eleganz.

Wenn jemand meinte, dass nach dem berühmten Halleluja am Schluss des zweiten Teils, von Chor und Orchester wunderbar beseelt musiziert, kein Höhepunkt zu erwarten sei, der wurde überrascht. Und zwar bei der Arie „Die Trompete erschallt“. Andreas Scheibner hat sie mit wunderbar kraftvollem und rundem Bassbariton zum Besten gegeben. Er lässt die Stimme strömen, benötigt überhaupt keinen Nachdruck, um Ausdruck zu erreichen. Tenor Daniel Sans, der bei der diesjährigen Vocalise viel zu tun hatte, litt unter einer Indisposition. Aber er machte seine Sache insgesamt gut, obwohl eine gewisse Müdigkeit nicht zu überhören war. Die Altistin Bhawani Moennsad ließ den Zuhörer den Vorgang des Musizierens vergessen und rein darauf lauschen, was die Sängerin zu sagen hat. So mühelos, so bezwingend gelang das der Sopranistin Netta Or leider nicht.

Die Aufführung wurde heftig bejubelt, vor allem die Kantorei und Ud Joffe. Der Chor gab sich mit dem „Messias“ selbst ein würdiges und festliches Geburtstagsgeschenk und überreichte den Zuhörern ein eindrücklich-fesselndes Erlebnis.

Im Gemeinderaum ist seit gestern eine kleine Ausstellung zu 50 Jahre Potsdamer Kantorei zu sehen, eine Schau, die Erinnerungen wachruft, an eine wunderbare musikalische Arbeit an der Erlöserkirche, die eine große Zukunft hat.

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