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Kultur: Eine Nummer zu groß

Sebastian Petersons Film „Meier Müller Schmidt“ schneidet große Themen an – ohne sie zu Ende zu führen

Von Sarah Kugler

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Putzlappen werden zu Toilettenpapier umfunktioniert, die Kaffeemaschine explodiert in der Küche und im Kühlschrank fehlt es nie an Bier. So zeichnet der Regisseur Sebastian Peterson in seinem Film „Meier Müller Schmidt“ eine Kreuzberger Männer-WG. Auf den ersten Blick die perfekte Kulisse für einen unterhaltsamen Film. Unterhaltsam wäre es auch geworden, hätte Peterson seine Geschichte nicht mit so vielen emotionalen Themen vollgepackt, die allein schon Stoff für drei Filme bieten, hier aber nur flüchtig an der Oberfläche angekratzt werden. Dass dem so ist, sei ihm sogar selbst aufgefallen, sagte Peterson am Dienstagabend im Babelsberger Thalia Kino, wo er den Film in einer Vorpremiere vorstellte.

Peterson, der an der Babelsberger Filmhochschule studiert hat und sowohl für seinen Diplomfilm „Fake!“ als auch für den Kinofilm „Helden Wie Wir“ groß gefeiert wurde, wollte hier die vielen WG-Geschichten verarbeiten, die ihm im Laufe seines Lebens untergekommen sind. Alle Geschichten in dem Film habe er entweder selbst erlebt oder von Freunden gehört: „Man lernt in WGs so viele verschiedene Leute kennen, die meisten davon auch nur oberflächlich und dann ziehen sie schon weiter“, so Peterson. „Meier Müller Schmidt“ will diese Schnelllebigkeit auffangen und setzt sie in seinem Stil auch gekonnt um. Mit schnellen Kamerafahrten, wechselnden Farbperspektiven je nach Stimmung der Protagonisten oder mit schriftlichen Kommentaren, die wie Gedankenblasen daherkommen, baut der Film eine unbeschwerte Stimmung auf. Leider bleiben die Figuren dabei auf der Strecke. Blöd, weil die doch mit allerlei Problemen zu kämpfen haben.

Nach und nach stellen sich Julian Meier (Ferenc Graefe), Kasimir Müller (Jules Armana) und Max Schmidt (Nicolás Artajo) in ihrer Kreuzberger WG vor. Julian möchte als Drehbuchautor durchstarten, sucht verzweifelt nach einem Job, gerät dabei in skurrile Eheprobleme eines fremden Paares und verliebt sich in die angehende Schauspielerin Eva (Julia Philippi), was alles nicht einfacher macht. Schon gar nicht als sich herausstellt, dass sie seine Halbschwester ist. Kasimir hingegen erlebt sein Coming Out, eine erste – ungeschützte – Nacht mit einem Mann und plagt sich fortan mit der Angst, sich womöglich mit HIV infiziert zu haben. Und der bereits erfolgreiche Marketing-Berater Max zieht eine gewitzte Kampagne für einen Kunden auf und engagiert sich regelmäßig auf Demonstrationen.

Aids, Protest, Liebe – es sind wirklich große Themen, die hier beiläufig angeschnitten werden. Neben der leisen Coming Out-Geschichte schwebt vor allem das Inzest-Thema etwas ratlos im Raum: Anstatt sich intensiv mit der eventuellen Zerrissenheit seiner Figuren zu beschäftigen, zieht Peterson darüber hinweg und lässt sie einfach ein Paar werden. In seiner Oberflächlichkeit zugespitzt wird das Ganze, als Eva eine große Rolle unter der Bedingung angeboten bekommt, mit dem Produzenten zu schlafen – und sie ohne mit der Wimper zu zucken einwilligt. Peterson begründete die fehlende emotionale Tiefe des Films am Dienstag damit, dass er nach fünfzehn Jahren Realfilmpause – er hat sich intensiv dem Trickfilm gewidmet – einen hohen Druck gehabt habe, die ganzen gesammelten Geschichten zu erzählen.

Fünf Monate habe der Dreh gedauert, wegen anderer Engagements konnten die Darsteller nur am Wochenende drehen – Gaststar Anna Thalbach hatte sogar nur einen Tag Zeit. Filmförderung gab es keine, der Film ist „gefördert von Oma“, so Peterson. Gedreht wurde in seiner Wohnung sowie der Wohnung von Eva-Darstellerin Julia Philippi. Die Küchenaufnahmen entstanden in einer Potsdamer Wohnung, „ die gehört einer alleinerziehenden Mutter und war sehr damenhaft eingerichtet“. Es musste also umdekoriert werden: Gardinen weg, Poster und Bierflaschen her. Diese Liebe zum Detail hätte dem Film auch abseits der Kulisse gutgetan. Sarah Kugler

Sebastian Petersons Film „Meier Müller Schmidt“ ist ab dem heutigen Donnerstag täglich im Thalia Kino, Rudolf Breitscheid Straße 50, zu sehen. Donnerstag bis Sonntag jeweils um 17 Uhr, Samstag, Sonntag und Dienstag zusätzlich um 14 Uhr und am Montag und Dienstag um 20.30 Uhr

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