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Von Almut Andreae: Eine Ode an die Gelblichkeit

Arbeiten auf Papier von Frank Michael Zeidler im Kunstraum Potsdam

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Gelb ist eine Signalfarbe: Sie zieht die Aufmerksamkeit auf sich, versprüht Optimismus und Lebensfreude. Doch zuweilen zeigt sich Gelb auch weniger freundlich. Eine minimale Beimischung von Schwarz unter das Farbpigment offenbart gänzlich andere Seiten: kühl bis abweisend wirkt es dann, distanziert oder kränklich, grell und aggressiv.

Seit der gestern Nachmittag eröffneten Ausstellung mit Arbeiten auf Papier von Frank Michael Zeidler stehen die Zeichen im Kunstraum Potsdam überwiegend auf Gelb. Der im Jahr 2000 nach Potsdam gekommene Maler und Zeichner präsentiert sich mit einer üppigen Auslese seiner seither entstandenen weiß-gelben Bilder und Zeichnungen, die er selber „Gelblinge“ nennt. Warum setzt sich ein Künstler seit bald einem Jahrzehnt so intensiv mit dem Gelb in Zeichnung und Malerei auseinander?

Was man angesichts der aktuellen Ausstellung zumindest kaum erahnt: In ihren Anfängen ging es in der Kunst des gebürtigen Leipzigers Zeidler (Jahrgang 1952) durchaus bunt zu. Aufgewachsen in Ulm an der Donau kam er als junger Maler an der Hochschule der Künste Berlin unter anderem mit den „Neuen Wilden“ in Berührung, bevor er mit der „Buntfarbe“ brach, um fortan mit großer Konsequenz seinen eigenen Weg zu gehen. Durch die kompromisslose Ausgrenzung der Farbe seit den achtziger Jahren verwendete der Maler und Zeichner 20 Jahre lang ausschließlich schwarzes und weißes Pigment.

Zwei seiner Ende der Neunziger entstandenen Graphitzeichnungen im Riesenformat befinden sich nun in der Potsdamer Ausstellung mitten unter all den Arbeiten, die nach dem Sprung ins Gelb entstanden. „Über die weiße Zeichnung hat sich die Gelblichkeit eingeschlichen“, gibt Frank Michael Zeidler im Gespräch über die Entstehung seiner Gelblinge preis. Demnach ist er eher zufällig zur Farbe Gelb gekommen: Nach einer kürzeren Schaffensphase zunächst monochrom schwarzer und dann weißer Bilder vor rund 10 Jahren hat der Künstler das Gelb als Lichtfarbe für sich entdeckt. Seitdem hat das Gelb, wie die Potsdamer Schau eindrucksvoll demonstriert, für Zeidler nichts, aber auch gar nichts an Faszination eingebüßt.

Ganz im Gegenteil zeugen die vielen kleinen und großen Formate von den scheinbar unerschöpflichen Ausdrucksmöglichkeiten, zu denen das Gelb den Künstler nach wie vor inspiriert. Und in der Tat ist das Gelb hier in seiner ganzen Bandbreite zu erleben: Angefeuert durch Beimischungen von Orange und Orangerot entfacht es in neueren Zeichnungen auf handgeschöpftem indischen Papier glühende Sinnlichkeit und Leidenschaft. Ganz anders offenbaren die großen Radierungen im Eingangsraum der Ausstellung eine Gelblichkeit von kühler Unnahbarkeit und Strenge. Die sehr unterschiedlichen Papiersorten, die Zeidler in seiner zeichnerischen Arbeit verwendet, bereichern seinen Dialog mit dem Gelb um immer neue Facetten.

Auf der oberen Ausstellungsebene hängt eine Reihe kleinerer Papierarbeiten, in denen Zeidler über seine Zeichnungen jeweils ein ebenfalls bezeichnetes Transparentpapier legt. Die ohnehin in seinen Arbeiten durchgängig zu erlebende Verschränkung von reiner Malerei und markanter zeichnerischer Spur wird in diesen aktuellen Arbeiten durch die Schichtung der Zeichnungen noch weiter getrieben. Diese Arbeitsweise lässt sich in der Ausstellung sehr schön anhand des Videos „Gefäße. Gezeichnete Stillleben“ nachvollziehen, eine Dokumentation von Zeidlers realisiertem Bühnenbild zur Oper „Lavinia A“ des Komponisten André Werner für das Theater Osnabrück im Jahr 2007. Die filmisch erfassten Schalengefäße wurden in der Bearbeitung des Films vom Künstler noch einmal überzeichnet. Diese Mehrschichtigkeit erreicht in den Videostills aus diesem Film an der gegenüberliegenden Wand noch einmal einen ganz eigenen Ausdruck.

Zum Bindeglied zwischen den unten und oben gezeigten Arbeiten werden die handgerissenen Papiere, die immer paarweise gerahmt, im Mittelgang der unteren Ausstellungsebene hängen. In ihnen stellt Zeidler seine malerische und seine zeichnerische Seite in einer dualistischen Zwiesprache einander gegenüber und verhilft den Schwarz- und Grauvaleurs, unter subtiler Beimischung anderer Farben, zu neuem Recht.

In dem geräumigen Atelier des Malers und Zeichners auf dem Gelände des Kunsthauses Potsdam am Ulanenweg entstehen seine Zeichnungen meist nebeneinander. Im gleichzeitigen Schaffensprozess befruchten sich die Wege, die Zeidler in seinen Zeichnungen einschlägt, kreuzen und durchdringen sich. Anders als die Ölmalerei auf Leinwand lebt die Zeichnung von der Spontaneität und vom unmittelbaren Ausdruck. Auch deswegen ist der Fokus, den die erste Potsdamer Einzelausstellung von Frank Michael Zeidler ausschließlich auf seine Papierarbeiten richtet, ein klare, eine gute Entscheidung.

Öffnungszeiten der Ausstellung „Gelblinge und Andere“ im Kunstraum Potsdam bis zum 14. Juni: Mi-Fr 14-20 Uhr, Sa/So 12-20 Uhr, Schiffbauergasse 4.

Almut Andreae

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