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Kultur: Eine poetisch-politische Reise

Der Dokumentarfilm „In Sarmatien“ von Volker Koepp im „Aktuellen Potsdamer Filmgespräch“

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Sarmatien, so heißt auf antiken Landkarten das Gebiet zwischen Weichsel und Wolga, Ostsee und Schwarzem Meer. Inspiriert durch die Lyrik Johannes‘ Bobrowskis, drehte Regisseur Volker Koepp dort immer wieder Dokumentarfilme. Am Dienstag war seine jüngste Arbeit „In Sarmatien“ in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ im Thalia-Kino zu sehen. „In Sarmatien“ – die erste digitale Produktion Koepps, der jahrzehntelang auf 35 Millimeter drehte – ist die sehr vielschichtige, ebenso poetische wie politische Reise in die von historischen Verwerfungen gekennzeichnete Geschichte und Gegenwart einer Gegend, die heute im russischen Kaliningrader Gebiet, in Litauen, Weißrussland, Polen, Moldawien und der Ukraine liegt.

„Alle Erinnerung ist Gegenwart“, so zitiert der Regisseur, der nur Filme über Menschen macht, die er wirklich mag, den Dichter Novalis. „In Sarmatien“, der sich auch auf Koepps frühere Arbeiten „Grüße aus Sarmatien“, „Kalte Heimat“ und „Herr Zwilling und Frau Zuckermann“ bezieht, scheint gleichsam die Essenz seiner vorangegangenen Filme zu enthalten. Von den alten Menschen, die Volker Koepp ein Stück auf ihrem Lebensweg begleitet hat, haben manche die Hitlerzeit überlebt und Stalins Terror. „Weggehen oder Bleiben – diese Frage stand in Czernowitz schon vor 100 Jahren“, sagt Frau Zuckermann. Für die jungen Menschen steht sie heute wieder.

Ana hat einen Film darüber gedreht, dass in den moldawischen Dörfern nur noch alte Menschen leben. Und darüber, dass in Moldawien eine Generation entstanden ist, die ohne Eltern aufwächst. Denn die Elterngeneration verdient Geld im Westen. Für Ana ist zu Hause zu sein das schönste Gefühl. Auch Tanja, die inzwischen mit ihrem deutschen Mann und den Kindern fest in Jena lebt, ist mehrmals im Jahr zu Hause: in Czernowitz. Es war Ralf Winkler – so der bürgerliche Name des Malers A.R. Penck – der während der Dresdener Studienzeit Volker Koepps in den frühen 60er-Jahren den Gedichtband „Sarmatische Zeit“ von Johannes Bobrowski in den Freundeskreis mitbrachte, zum dem auch Volker Koepp gehörte.

Im Filmgespräch antwortete der Regisseur auf die Frage, ob er während seiner vielen Gespräche mit den Menschen in Sarmatien die politischen Geschehnisse in der Ukraine habe kommen sehen, dass er mit dieser unmittelbaren Aktualität seines Films, der im November 2013 bereits fertig war, nicht gerechnet hat: „Zwar hat mir Tanja aus Czernowitz 2012 in einem Gespräch gesagt, in der Ukraine wird sich nur etwas verändern, wenn Blut fließt. Ich habe das aber nicht geglaubt. Das Einzige, was ich im Exposé aufgeschrieben hatte, ist, dass diese Region über Jahrzehnte, was sich keiner klarmacht, noch ein Hauptkrisenherd in Europa sein wird.“

Der Anlass, noch einmal in Sarmatien zu drehen, so Volker Koepp im Gespräch im Thalia-Kino, war, dass es ihn geärgert hatte, in Berichten aus Moldawien oder der Ukraine von nichts anderem zu hören als von Menschenhandel oder Prostitution. Seinen nächsten Film will Regisseur Koepp nun aber in der Uckermark machen. Gabriele Zellmann

Gabriele Zellmann

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