Kultur: Eine präzise „Partitur“
Gisbert Jäkel inszeniert das preußischste aller Kleist-Stücke: „Prinz Friedrich vom Homburg“
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In seinen „Mémoires pour servir à l’histoire de la maison de Brandenbourg“ beschreibt Friedrich der Große 1751, wie der Prinz von Hessen-Homburg in der Schlacht von Fehrbellin 1675 eigenmächtig und voreilig gegen ein schwedisches Heer angegriffen – und dadurch die Schlacht gewonnen habe. Heinrich von Kleist nutzte die Aufzeichnungen Friedrichs als Quelle und interpretierte sie auf seine Weise: das Todesurteil des Großen Kurfürsten erhielt der Prinz wegen Ungehorsams, zuletzt wird aber der Sieg der Vernunft gefeiert, als Vision des Dichters.
Erstmals wird das preußischste aller Bühnenstücke, nämlich Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“, im einstigen Hohenzollern-Theater, im Schlosstheater im Neuen Palais, zur Aufführung gelangen. Am morgigen Gründonnerstag ist Premiere. Die einstigen „Betreiber“ des Musentempels, die preußischen Könige, hätten hier eine Aufführung des Stücks vom schlafwandelnden Prinzen, der mit seiner Verträumtheit und Todesfurcht so gar nicht dem „preußischen Ideal“ entsprach, abgelehnt. König Friedrich Wilhelm III. ließ sogar das Schauspiel verbieten, obwohl der Dichter es gern der von ihn verehrten Königin Luise widmen wollte.
Kaiser Wilhelm II. erkor es dann aber zu seinem Lieblingsstück, empfahl jedoch jene Szene zu streichen, die die „fatale Feigheit“ des Prinzen beleuchtet. In seiner Todesangst bittet nämlich Homburg die Kurfürstin und seine Geliebte, Prinzessin Natalie, beim Kurfürsten eine Begnadigung für ihn zu erwirken. Die Nationalsozialisten haben den „Homburg“ dann für ihre Zwecke funktionalisiert. Die Schlussworte „In Staub mit allen Feinden Brandenburgs“ wurden zur Tagesparole erklärt. Ob sie aber das Wort Kleists kannten, der da meinte, dass es unmöglich sei, Offizier und Mensch zugleich zu sein?
Preußens Gloria mit dem Schauspiel auf die Bühne zu bringen, das liegt natürlich Regisseur Gisbert Jäkel, der es nun mit dem Ensemble des Hans Otto Theaters im Schlosstheater inszeniert, völlig fern. „Ich möchte die Brüchigkeit der Beziehungen zwischen den Personen, die Kleist so vielschichtig in seiner präzisen Partitur aufgeschrieben hat, verdeutlichen“, sagt Gisbert Jäkel, der sich mit seinen Inszenierungen am Potsdamer Theater von „Krieg und Frieden“, „Kabale und Liebe“ oder „Am Ziel“ einen guten Namen machte. Auch bei dem Kleist-Stück hat Jäkel das Bühnenbild entworfen. Gerade in diesem Genre besitzt der Künstler über Deutschland hinaus ein hohes Renommee. Doch immer wieder macht er gern einen „Ausflug“ als Regisseur, ob im Schauspiel oder in der Oper. Das 1821 in Wien uraufgeführte Schauspiel „Prinz Friedrich von Homburg“, zehn Jahre nach Kleists Selbstmord, will Gisbert Jäkel mit seiner Inszenierung weiterhin zur Geltung bringen. „Kein Wort in diesem Stück ist gratis geschrieben. Die Sprache ist so im Fluss, dass man von ihr mitgerissen wird“, so der Regisseur. Oftmals wird der „Homburg“ als Debattierstück gespielt. Jäkel sieht in ihm jedoch „handfeste Situationen“, die ausgespielt werden sollten. Beispielsweise das konfuse Reden der Offiziere über den Schlachtplan, das berherzte Eingreifen und die mit der Emphase des Herzens sprechende Prinzessin Natalie für Homburg vor dessen angekündigter Hinrichtung. Die Inszenierung in Sanssoucis Schlosstheater ist nicht historisch oder an einem konkreten Ort angesiedelt, son- dern sie spielt in unserem Heute. „Dabei interessiert immer noch der Gegensatz zwischen dem ganz persönlichen Interesse und dem Staat.“
Auf der Bühne im Neuen Palais sind unter anderen Moritz Führmann als Prinz von Homburg, Caroline Lux als Natalie und Andreas Herrmann als Kurfürst zu sehen.
Premiere morgen um 19 Uhr im Schlosstheater im Neuen Palais. Weitere Aufführung: 8. April, 19 Uhr.
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