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Kulturmanager Ciprian Marinescu hat das Festival „Moving Romania“ in der „fabrik“initiiert.

© Katie Simpson

Kultur: Eine Szene, die sich noch nicht gefunden hat Zeitgenössischer Tanz aus Rumänien in der „fabrik“

Es wird die erste Werkschau von zeitgenössischem Tanz aus Rumänien in Deutschland sein. Das Festival „Moving Romania“, das vom 8.

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Es wird die erste Werkschau von zeitgenössischem Tanz aus Rumänien in Deutschland sein. Das Festival „Moving Romania“, das vom 8. bis 15. September in der „fabrik“ Potsdam“ über die Bühne geht, versucht ein noch sehr zartes Pflänzchen heranzuziehen und ins rechte Licht zu setzen. Initiator ist der Kulturmanager und Journalist Ciprian Marinescu, der seit einem Jahr als Stipendiat der Robert-Bosch-Stiftung in der „fabrik“ arbeitet und in Jimbolia (Hatzfeld) im deutschsprachigen Banat-Gebiet Zuhause ist.

Zur Vorbereitung dieses Festivals fuhr er gemeinsam mit der Künstlerischen Leiterin der „fabrik“, Sabine Chwalicz, nach Bukarest, um nach spannenden Tanzprojekten Ausschau zu halten. Kein leichtes Unterfangen, denn eine freie Szene gibt es in ganz Rumänien nicht, weder im Theater noch im Tanz. „Die Situation für Schauspieler, Choreografen und Tänzer ist sehr sehr schwierig. Seit Ceausescu hat sich nicht viel an den Strukturen in Rumänien verändert. Die Wirtschaft wurde zwar liberalisiert, aber es gibt ein sehr großes soziales Gefälle. Künstler verdienen im Schnitt nicht mehr als 200 Euro, doch die Preise sind durchaus mit unseren vergleichbar“, erzählt Sabine Chwalisz.

So habe natürlich auch niemand Geld, um etwa leerstehende Gebäude als Probe- und Aufführungsräume zu besetzen und zu sanieren. Es gebe auch keine staatliche Förderung für freie Projekte. Allein die sechs Nationaltheater im Land werden vom Ministerium finanziert. Und das Nationale Zentrum für Tanz in Bukarest, die einzige Anlaufstelle für Tänzer. Dieses vor fünf Jahren gegründete Büro hatte seine Adresse bis vor kurzem im Nationaltheater. Doch das wird jetzt drei Jahre lang saniert und will danach keine Räume mehr an den Tanz abgeben. So müssen die Tänzer auf Straßen, im Wohnzimmer oder auf Discos ihre Choreografien einstudieren. Doch der junge Rumäne Ciprian Marinescu sagt in großer Gelassenheit: „Die Sachen verändern sich. Dass die Tänzer jetzt raumlos sind, provoziert. Sie werden nach anderen Möglichkeiten suchen. Es ist nicht das Ende, sondern eher ein anderer Anfang. Es wird schwer, aber es ist nicht unmöglich.“

Von den 15 Tänzern, die jedes Jahr die Kunsthochschule für Tanz und Film in Bukarest verlassen, gehen viele ins Ausland. So wie Sergiu Matis, der bei Sasha Waltz tanzt und auch in Potsdam bei dem kleinen Festival zu sehen sein wird. Es bleiben natürlich auch Tänzer in der Heimat. „Ich denke, es ist eine Szene, die sich sucht, aber noch nicht gefunden hat“, so Sabine Chwalisz. Während sich manche notgedrungen wieder vom Tanz verabschieden, sagen andere: Jetzt erst recht. Sehr viel Fragiles wird in der „fabrik“ auf die Bühne kommen, mit ausgesucht von dem rumänischen Choreografen und Festival-Kurator Cosmin Manolescu, der die Tanzszene seines Landes bestens kennt.

Ciprian Marinescu selbst hatte zuvor nur wenig Tanz in seiner Heimat gesehen. Er kam überhaupt relativ spät mit Kunst in Berührung. „Ich war 19, als ich das erste Theaterstück sah.“ Da war er bereits Journalistik-Student in der größeren Stadt Timosoara. In Gymbolia gab es kein Theater und seine inzwischen berenteten Eltern – der Vater war Hausmeister, die Mutter mit deutsch-ungarischen Wurzeln Buchhalterin – interessierten sich nicht dafür. Anders als heute Sohn Ciprian. Er schlug dem Theater in Timosoara vor, eine Zeitschrift herauszugeben und wurde dafür engagiert. Danach organisierte er ein Festival mit Stücken rumänischer Autoren.

Und nun hat er sich der Förderung des zeitgenössischen Tanzes verschrieben. „Der Aufbruch ist da, nur die Strukturen fehlen“, sagt der 1980 geborene Mann mit den großen ernsten Augen, der sich eher zurückhält als vorschnelle Einschätzungen abzuliefern. Für die Tänzer seines Landes sei es natürlich spannend, in einem Festival außerhalb von Rumänien über sich selbst zu reflektieren und Kontakte knüpfen zu können. Er wird auch künftig daran mitwirken, denn die „fabrik“ möchte das Festival auch im kommenden Jahr ausrichten, dann vielleicht erweitert auf Tanz aus Rumänien und Ungarn. Ciprian Marinescu bleibt jedenfalls vorerst in Potsdam.

Für das jetzige Festival stehen 33000 Euro Projektgelder zur Verfügung, die u.a. vom Rumänischen Kulturinstitut und dem Nationalen Zentrum für Tanz in Bukarest kommen. „Vielleicht können wir ja auch Koproduktionen anschieben“, hofft Sabine Chwalisz. Die Räume der „fabrik“ stünden dafür jedenfalls offen. „Man merkt, dass die Tänzer bereit sind, Risiken einzugehen bei der Suche nach dem richtigen Ausdruck.“ Alle Arbeiten hätten etwas mit sozialen Aspekten der Gegenwart in Rumänien zu tun, aber sie werden eher über die eigene Biografie erzählt. „Die Tänzer bewegen sich selbstbewusst, sind ganz sicher in ihrer künstlerischen Sprache. Wer mitkriegen möchte, was Tanz in Rumänien bedeutet, sollte sich mehrere Stücke anschauen, denn sie sind sehr verschieden“, empfiehlt Sabine Chwalisz. Heidi Jäger

„Moving Romania“, Festival für Tanz und Performance, vom 8. bis 15. September, in der „fabrik“, Schiffbauergasse. Das Programm liegt bereits vor. Weiteres unter www.fabrikpotsdam.de

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