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Kultur: Eine Wiederbelebung
Nach 66 Jahren beginnt am Mittwoch wieder ein Potsdamer Meisterkurs
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Zum Abschluss des Gesprächs gibt es Musik. Johann Sebastian Bachs „Das wohltemperierte Klavier“. Kraftvoll und zart. Emotional. Von klanglicher Askese, wie heute oft üblich, keine Spur. Alexander Untschi legt die CD mit einer Aufnahme von Edwin Fischer ein. Der Ausnahmepianist, der dieses Bach-Werk immer wieder in seinen Konzertprogrammen spielte, hat es während der Potsdamer Sommerkurse in den dreißiger und vierziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit jungen Pianisten erarbeitet und ihnen wichtige interpretatorische Ratschläge gegeben.
Edwin Fischer (1886-1960) ist der 1. Potsdamer Meisterkurs für Klavier gewidmet, der am morgigen Mittwoch beginnt und bis zum Freitag dauern wird. Der junge Pianist Alexander Untschi, der vor gut drei Jahren Potsdam zu seinem Wohnort machte, hat seinen bedeutenden Kollegen nicht persönlich gekannt. Doch für ihn ist er ein großes Vorbild. „Die Tonaufnahmen mit Werken Bachs, Mozarts, Beethovens, Schuberts oder Schumanns bezeugen, dass er beim Musizieren immer im Einklang mit der Musik war. Zeitgenossen Fischers berichten, dass er auch ein sehr warmherziger und offener Mensch war. Dem Nachwuchs galt seine unermüdliche Förderung“, erzählt Alexander Untschi.
Jungen Musikern in wenigen Tagen Unterricht auf höchstem Niveau zu ermöglichen, das nahm sich Untschi vor, als er von München nach Potsdam kam. Beim Lesen von Biographien über Fischer wurde immer wieder über die Potsdamer Meisterkurse geschrieben, die das Deutsche Musikinstitut für Ausländer unter anderem im Marmorpalais im Neuen Garten sowie im Palast Barberini in der Stadtmitte organisierte. Von 1931 bis 1943, also zwölf Jahre, konnten die außergewöhnlichen Kurse stattfinden. Als etwas Besonderes in der Musikwelt galten sie deswegen, weil einige der besten Musiker der damaligen Zeit für junge Menschen da waren und ihnen für ihr eigenes Musizieren wertvolle Impulse gaben: die Pianisten Wilhelm Kempff, der in Potsdam lebte, Edwin Fischer, Eugen d’Albert, Leonid Kreutzer, der Geiger Georg Kulenkampff, der Cellist Gasparo Cassado oder der Sänger Paul Lohmann. Max von Schillings gab Kompositions- und Dirigierunterricht.
Untschi hatte einen Traum, er wollte die Sommerkurse in Potsdam wiederbeleben. Die Verwirklichung betrieb er mit steter Vehemenz. In dieser Woche kann nun der erste Meisterkurs nach 66 Jahren Funkstille wieder stattfinden. „Ich habe dafür so manche Potsdamer gefunden, die mich dabei intensiv unterstützen und mein Anliegen fördern“, so Alexander Untschi. So werden die jungen Leute in schönsten privaten Wohnungen der Berliner- und Nauener Vorstadt residieren. Außerdem hat die Städtische Musikschule Räume mit Klavieren zum Üben bereitgestellt.
Leider kann der Meisterkurs, der zunächst nur für Pianisten veranstaltet wird, traditionell nicht im Marmorpalais stattfinden, aus denkmalpflegerischen Gründen. „Ich bin aber der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten sehr dankbar, dass sie uns das wunderbare Schloss Glienicke zur Verfügung stellt. Der Gartensaal, in dem in den Wintermonaten zu Konzerten eingeladen wird, ist drei Tage lang der Rahmen für das Musizieren und für das Lernen“, sagt Veranstalter Untschi. „Das Schloss an der Grenze zwischen Berlin und Potsdam gehört ja zur Potsdamer Kulturlandschaft.“
Vor gut drei Monaten klärte sich erst die Finanzierung und die Frage des Ortes. Da konnte erst die Werbung an allen deutschsprachigen Musikhochschulen und darüber hinaus in Gang gesetzt werden. „15 Studierende mit Konzerterfahrungen bekundeten schließlich ihr Interesse. Aber nur acht junge Pianisten kann der Meisterkurs aufnehmen. Sie kommen aus Israel, Russland, der Ukraine, der Türkei und aus Deutschland. Der Jüngste ist 19 Jahre alt. Für jeden Musiker sind drei Stunden Unterricht eingeplant.“ Die Werke, die sie in Glienicke spielen möchten, teilten die jungen Leute vorher mit. Es ist ausschließlich Musik aus dem klassisch-romantischen Repertoire entnommen.
Die jungen Musiker werden mit einem Ausnahme-Pianisten arbeiten, mit dem mittlerweile 82 Jahre alten Paul Badura-Skoda aus Wien. Er musizierte mit den bedeutendsten Dirigenten und Orchestern der Welt und ist auch als Buchautor eine Autorität. Untschi konnte den weltbekannten Musiker gewinnen, da sie sich seit Jahren gut kennen. Der Potsdamer Pianist studierte bei Badura-Skoda an der Wiener Musikhochschule und pflegt bis heute ständigen Kontakt mit ihm. Nach dem Potsdamer Meisterkurs reist Badura-Skoda für fünf Tage zu einem weiteren in Weimar.
Der Wiener Pianist war auch Schüler von Edwin Fischer. Er schrieb über ihn: „Als Edwin Fischer mein Lehrer wurde, öffneten sich mir neue Welten. Wie einmalig war die Wirkung dieser Künstlerpersönlichkeit, auf welch unmittelbarem Weg ergriffen seine Gesten, wenn er seine Schüler in den Meisterkursen um sich versammelt hatte. Fischers Anwesenheit im Kurs bedeutete Spannung und letzte Aufnahmebereitschaft.“
Ab 2010 will Alexander Untschi die Potsdamer Meisterkurse in Edwin-Fischer-Sommerakademie umbenennen. Später sollen nicht nur Pianisten, sondern auch Geiger oder Cellisten eingeladen werden. Klaus Büstrin
www.potsdamermeisterkurse.de
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