Kultur: Einfach, aber nicht einfache Malerei
Vater, Mutter, Sohn der amerikanischen Malerfamilie Barrett in der Galerie am Neuen Palais
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Vater, Mutter, Sohn der amerikanischen Malerfamilie Barrett in der Galerie am Neuen Palais Von Götz J. Pfeiffer Ein großes Versprechen macht Galerist Jürgen Oswald. Seine aktuelle Ausstellung zeige „etwas, was zwar oft angekündigt wird, aber selten wirklich zu sehen ist: Malerei“. Bis zum 5. Oktober sind in der Galerie am Neuen Palais rund 70 Arbeiten der amerikanischen Malerfamilie Barrett zu sehen. Der Ausstellungstitel bezeichnet sie als „The Barretts“, in Anlehnung an Familienclans wie die Ölbarone Ewing aus der TV-Serie „Dallas“. Doch mit dem Namen enden auch schon die Parallelen zu Vater Thomas Barrett, Mutter Leni Mancuso und Sohn Kedron Barrett. Denn waren sich die Öl-Texaner für keine Intrige, kein schmutziges Geschäft zu schade, ist allen künstlerischen Arbeiten des Barrett-Clans aus dem amerikanischen Nordwesten Harmonie und Ruhe eigen. Dem Lärm der Metropole New York City, wo er 1927 geboren wurde, steht Vater Barrett mit seinen Acrylbildern von Menschen in Bewegung noch am nächsten. Zwei Jahre, bis 1950 studierte er an der Brooklyn Museum School, auch bei dem großen Maler Max Beckmann. Offenbar stark war dessen Einfluss auf Barretts Schaffen, öffnet sich mit Beckmanns Wort von der „transzendenten Sachlichkeit, die aus einer tieferen Liebe zur Natur und den Menschen hervorgehen kann“, doch auch ein Zugang zu den ausgestellten Klein- bis Mittelformaten Barretts – größere Bilder blieben in den USA. Die Spielfreude der „Three Musicians“ einer Jazz-Combo vermittelt sich unmittelbar, die entspannte Atmosphäre eines Sommernachmittags an Deck eines Segelbootes schildert das heitere Bild „Crusing“. Der grün und orange gekleidete Waldarbeiter in schwarz-weißem Winterwald auf „Woodsman in Winter“ verbreitet Geschäftigkeit seines Tuns, vermittelt auch durch die lebendigen Farbkontraste. Durch die Kneipenrunde auf „Sing-Song at Mulloy“s Inn, Achill“ klingt nicht nur der Titel melodisch, geht auch eine Harmonie der mit wenigen Pinselstrichen gesetzten Männer. Von vieljähriger Erfahrung zeugt auch das aus fast ungemischten Grundfarben komponierte Interieur „The Red Cup“, auf dem die Titel gebende rote Tasse als Bildzentrum in die linke untere Ecke gesetzt ist. Schon in der materiellen Substanz der Aquarelle leichter ist die ebenfalls über 70-jährige Mutter Leni Mancuso, auch sie in New York City geboren und wie der Vater an der Brooklyn Museum School ausgebildet. In die Bildtiefe fluchtende, wellenförmige Pinsellinien bis zum fernen Horizont, in der Ferne als Lichtband ein weiß gebliebener Streifen Papier, darüber wölbt sich drückend der grau-blaue Himmel – und dem Betrachter vermittelt sich, was der Titel verspricht „Light on the Bay“: Licht über der Bucht. Jahrelange, intensive Studien vor der Natur, dem Hauptmotiv von Mancusos Arbeiten, liegen dieser Landschaft zugrunde wie auch abstrakteren Arbeiten: so „Dawn intercept“, wo die Lichter der Dämmerung zu formalen Farbspielen wurden, so auch „Arrow clouds“, wo die Titel gebenden Wolkengebilde sich zu Farb- und Formgebilden verfestigt haben. Daneben expressionistische Blätter wie „Cleft Ledge“, „Spaltenriff“, wo rote, blaue, schwarze Striche und Streifen wie Kraftlinien ausstrahlen, ihre Dynamik das Kleinformat zu sprengen droht. Die Bewegung und die Menschen dem Vater, die Natur als Bildgegenstand der Mutter – was blieb dem 42-jährigen Sohn, der so lange malt und zeichnet, dass er sich nicht mehr an seine Anfänge erinnern kann? Das Licht und aus diesem anderen Blickwinkel auch die Menschen und die Landschaften. Seit 1983 ist Kedron Barrett in Berlin, studierte vorher an der Yale University, wurdein den letzten sechs Jahren bereits mehrmals in der Galerie am Neuen Palais ausgestellt. Bewusst und aus wachen Augen schaut er in die Zukunft wie ein Selbstporträt des Dunkeläugigen beweist. Es heißt „Blauäugig in die Zukunft“, nicht nur weil der Vogelkopf auf langem Hals aus blauen Pupillen guckt, auch, weil der Maler nur mit Hals und Kopf aus dem blauen, bewegten Hintergrund auftaucht und seinen Betrachter - beim Malen sein Ebenbild - anschaut. Künstlerischer Ernst mit spielerischer Leichtigkeit und insgesamt lichthaltige Malerei kennzeichnen seine Werke. Seine Ölbilder leuchten gleichsam von innen heraus, werfen das so schwierig zu erreichende Tiefenlicht von der unteren Malschicht zurück, durch alle Farblagen hindurch zum Betrachter. Kedron Barretts Malerei ist offen, das Farbrelief deutlich, die Farben selbst in den gemischten Tönen intensiv. Ein Berg ganz aus gelbem Licht scheint der „Celtic Mountain“ zu sein. Das „Eiland“ schwebt dunkel in einer schwefelgelben Lichtwolke, so eindrucksvoll, dass man schadlos Vergleiche mit Altmeistern bemühen könnte. Oder Sonnen bestrahlte südländische Häuser spiegeln sich im trägen Fluss, nicht nur das Motiv eine „Erinnerung“. Beeindruckend auch die Monotypien, besonders der in tiefer Schwärze aufleuchtende, gespiegelte „Giebel bei Nacht“. Ohne Einwand kann man eingestehen: Die Familien-Schau „The Barretts“ löst das vom Galeristen gegebene Versprechen ein und zeigt wahrhaftig „Malerei“. Doch wie wird man künftig die Arbeiten nennen wollen, die in der Galerie am Neuen Palais gezeigt werden? Bis 5. Oktober in der Galerie am Neuen Palais, geöffnet Mi-Fr 14-18 Uhr, Sa-So 13-18 Uhr, www.galerieoswald.de
Götz J. Pfeiffer
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