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Kultur: Einfach märchenhaft

Russisches Nationalballett tanzte „Dornröschen“

Es war einmal, so fangen alle Märchen an. Auch das von Dornröschen, bekannt geworden auch als Ballett mit der Musik von Peter Tschaikowsky. Was er nach der Geschichte „La belle au Bois Dormant“ des französischen Erzählers Charles Perraut vertonte, trägt im klassischen Ballettland Russland deshalb auch völlig zurecht den Titel „Die schlafende Schöne“. Sie heißt Prinzessin Aurora und ist für jede Ballerina eine erstrebenswerte Traumrolle. Auch für Marianna Chemalina, die sie, blutjung und ausstrahlungsstark, beim Gastspiel des Russischen Nationalballetts aus Moskau im Nikolaisaal hingebungsvoll, voller technischer Bravour und sehr sicher tanzt.

Sie verbreitet Charme pur, ist von den Fuß- bis in die Zehenspitzen gespannt wie ein Flitzbogen. Ihre akkurat gestreckten Gliedmaßen funktionieren beim Vorführen klassisch-akademischen Vokabulars vorzüglich. Überaus sicher steht sie für Sekunden haltlos auf Spitze, ehe sie einem Freier nach dem anderen die Hand reicht. Zur Standfestigkeit, nicht zur Ehe. Von der hält die 16-jährige Prinzessin Aurora nämlich noch nichts. Und so feiert sie inmitten des prächtig herausgeputzten Hofstaats ihre Geburtstagsparty, ehe sie sich an einer Spindel sticht, was den Eltern durch die böse Fee Carabosse gleich nach des Töchterleins Geburt prophezeit worden war, weshalb am Hofe alle Näh-, Strick- und Häkelnadeln verbannt wurden. Doch statt zu sterben, fällt Aurora in einen 100-jährigen Schlaf, aus dem sie erst Prinz Desiré wachküsst. Er heiratet sie, und wieder gibt es ein Fest zu feiern.

Die farbenbunten Kostüme im Renaissance-Zuschnitt sind eine Augenweide: einfach märchenhaft. Sie anmutig vorzuzeigen, ist reichlich Platz, denn die Tanzfläche ist nahezu leer, sieht man für Sitzgelegenheit für die königlichen Eltern und einige Hofschranzen im gehobenen Dienst einmal ab. Mit monumentaler Architektur bemalte Stoffvorhänge begrenzen das Aktionsgeviert, dem man ansieht, dass es von der Gastspieltruppe für den hiesigen Spielort verkleinert werden musste. Das Corps de ballet hat Mühe, sich nicht gegenseitig ins Gehege zu kommen. Und so sind denn auch die vielen kleinen Mäuse, in die sich Potsdamer Kinder als Begleiter von Carabosse verwandelt haben, in den Hintergrund der Szenerie verbannt.

Eigentlich eine Zumutung für Ballettfreunde ist es, wenn ein Erzähler – hier Kolja genannt, hinter dem sich der Nordhäuser Schauspieler Matthias Mitteldorf verbirgt – die Handlung beschreibt. Da sich die vorgezeigte Fassung an Kinder wendet und ihnen Interesse für den klassischen Tanz wecken soll, mag es angehen. Und siehe da: sie folgen den Vorgängen auf dem Podium mit Interesse und allgemeinem Mitteilungsdrang. Sie klatschen spontan, wenn ihnen die Pirouetten, die weiten und hohen Sprünge der Solisten sowie deren ausdrucksstarken Soli und Pas de deux gefallen haben. Kleine Kenner.

Ihnen entgeht kaum eine Ungenauigkeit, und sie monieren, wenn die Beine beispielsweise der in lilafarbene Tütüs gekleideten Begleiterinnen der Fliederfee (Olga Grigorjewa) nicht exakt im Rhythmus tanzen. Den als Carabosse furios und ausdrucksstark auf der Bühne herumfegenden Timur Kinzikejew haben sie sogleich ins Herz geschlossen. Dem eleganten Danseur Ruslan Muchambetkalijew als ganz in pailettenglitzerndes Weiß gekleideten Prinzen fliegen im Nu die Herzen der kleinen und großen Zuschauer zu. Im vierteiligen Hochzeits-Pas-de-deux gibt es die vorzüglichste klassische Ballettkunst zu bewundern.

Die damit nicht gerade verwöhnten Potsdamer feiern die poesieverbreitende Produktion (Choreographie: Lew Iwanow nach Marius Petipa), wobei die Musik ziemlich lautstark über eine nicht optimale Tonanlage vom Band eingespielt wird, ausgiebig. Und wenn sie nicht gestorben sind warten sie sehnsüchtig auf ein nächstes Ballettgastspiel.

Peter Buske

Peter Buske

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