Kultur: „Einmal jemand anderes sein“
„Sonnenblume“-Theaterfestival an zwei Tagen im Babelsberger Lindenpark
Stand:
„Sonnenblume“-Theaterfestival an zwei Tagen im Babelsberger Lindenpark Sonnenblumen überall im „Lindenpark“, drinnen und draußen, an den Wänden, auf der Bühne, Sonnenblumen auf T-Shirts gedruckt, auf den Urkunden, welche alle Truppen des diesjährigen Theater-Festivals für mehr oder weniger behinderte Schüler des Landes Brandenburg nach ihrem Bühnenauftritt bekamen. Für die Spieler der Förderschule Lauchhammer eine kleine Weltpremiere, auch die quicke Truppe der Märkischen Schule Eberswalde war zum ersten Male dabei. Das Festival selbst, vom Potsdamer Verein „Junges Theater Sonnenblume“ sorgsam und liebevoll organisiert, findet bereits zum siebenten Male statt, wegen der vielen Bewerbungen wurde es diesmal zweitägig ausgerichtet, donnerstags und freitags. Nach dem Eindruck des ersten Vormittags hat man rundum Lob zu zollen, denn man erlebte tatsächlich ein Fest der Superlative, wo alles ineinandergriff, stimmte und passte, und wenn beim Aufbau mal eine Pause entstand, sprang der hochprofessionelle Clown Locci („er haut heute mal so richtig auf die Lampe“) mit seiner besten Freundin Kalinka in die Bresche, auf der Bühne einen witzigen Spot zu geben oder ganz spanisch zur Gitarre zu singen. Als Mitglied der Clowns-Band „Voll daneben“ erlebte man ihn auch am Schlagzeug auf der Seitenbühne, wo man die Umbaupausen mit Country, Soul und Rock ´n Roll lautstark überbrückte. Kerstin Primer moderierte das Ganze mit gerechtem Lob und viel Einfühlung,. Vielleicht wünschte man sich eine so stimmige und tolle Atmosphäre auch bei den Festivals der Profis. Schon beim Introitus der Trommlergruppe ALF 10 (Schule an der Insel, Potsdam) gab es Applaus und Begeisterung. Sie ließ bei keiner der mit viel Fantasie einstudierten und mit respektabler Disziplin aufgeführten Darbietungen nach, egal ob es sich um den originalen „Struwwelpeter“ (Allgemeine Förderschule Lauchhammer), das Schattenspiel von „Peter und dem Wolf“ (SHS Frankfurt/O.) oder um die fetzige „Lollipop“-Show aus Rathenow handelte. Alle Akteure waren mit Eifer und heißem Herzen bei der Sache, auch das Publikum – behindert oder nicht - muss als ideal beschrieben werden. Die jungen Darsteller hatten Spaß an der Bewegung, am Ausdruck, am Spiel, nicht allein bei der fantastisch gearbeiteten Darbietung des Shakespeareschen „Sommernachtstraumes“ (Alf Frankfurt/Oder), in der Pause war Gelegenheit, besonders große Seifenblasen aufzupusten, das Jonglieren zu üben oder sich zu schminken: „einmal jemand anderes sein“, das ist wohl der Traum eines jeden. Man verstand das in diesem Umfeld besonders gut. Überhaupt staunte man über die Vielfalt der Ideen, Themen und Stile. Aerobic, Show, Sketche, Tanz, Theater – alle Formen der darstellenden Kunst fanden an diesen zwei Tagen ihren Platz auf der Bühne. Spiel und Spaß, Liebe und Tod - aber was sollte man sagen, als das „Schwarzlichttheater“ Mittenwalde den ganzen Lebensrhythmus nach dem Prinzip der Laterna magica auf wenige Minuten komprimierte? Der Klapperstorch bringt ein Baby in den illuminierten Kinderwagen, es wächst heran, findet im zweiten Herzen Liebe, heiratet mit Kuss (Jubel im Saal), arbeitet, urlaubt, um dann, toll gemacht, still zu vergehen: während all dieser Szenen flammten im Saal Feuerzeuge auf. Sehr bewegend. Tränen gar, als Kerstin Primer nach der „Gespensterparty“ des Bewegungstheaters Oschätzchen ein 18-jähriges Geburtstagskind auf offener Bühne ehrte. Tränen solcher Berührung zeigen, worum es bei diesem Treffen geht: Wer behindert ist, hat ein besonderes Anrecht auf Liebe. Hier greift die Festival-Idee genau: Das überall sichtbare Logo steht im Zeichen der Sonne, diese aber ist in den Menschen das Herz. Gerold Paul
Gerold Paul
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