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Das Istanbul-Oriental-Ensemble.

© promo

Kultur: Einmal Morgenland und zurück mit Reiseleiter Griffiths Klassik am Sonntag: Musikalische Mode „alla turca“

„Singt dem großen Bassa Lieder“, jubeln die Janitscharen in Mozarts „Entführung aus dem Serail“, als Selim mit Konstanze von einer Lustschiffreise wieder zurückkehrt. Triangel, Becken und kleine Pauken verleihen der Musik einen ganz unverwechselbaren Charakter.

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„Singt dem großen Bassa Lieder“, jubeln die Janitscharen in Mozarts „Entführung aus dem Serail“, als Selim mit Konstanze von einer Lustschiffreise wieder zurückkehrt. Triangel, Becken und kleine Pauken verleihen der Musik einen ganz unverwechselbaren Charakter. Doch bereits in die Ouvertüre hat Mozart diese türkischen Klänge wirkungsvoll eingebaut. So findet man sich sogleich im Morgenlande wieder. Angefangen hatte alles im Jahre 1683, mit der Schlacht am Kahlenberg, einer Anhöhe am nordöstlichen Stadtrand von Wien. Zwei Monate lang wird sie durch ein 200 000 Mann starkes Türkenheer unter Großwesir Kara Mustafa belagert, dann wird die Stadt durch das vom polnischen König Johann Sobieski unterstützte Reichsheer unter Karl von Lothringen entsetzt.

Kaum sind die Türken vertrieben, eröffnen im gleichen Jahr die ersten Wiener Kaffeehäuser. Jene längst legendäre Institution, die ihre Wurzeln bis ins Istanbul des Jahres 1554 senken kann. Von nun an trinkt man Kaffee türkisch, kleidet sich in weithüftige Hosen mit Knöchelbund, ergötzt sich an Militärmusik a la turkyje. In den Musikkapellen der Elitetruppen des Sultans, den so genannten Janitscharen, sorgt sie für nötige Marschdisziplin. "Jeder Taktstrich wird durch einen mannlichen Schlag so stark conturirt, dass es beynahe unmöglich ist, aus dem Takt zu kommen", beschreibt der Musikschriftsteller Daniel Schubart die Wirkung. Europäische Großmächte bemühen sich sehr um das Sultansgeschenk einer solchen Militärkapelle.

Russland erhält 1725 eine 12- bis 15-köpfige Truppe, die sich u. a. aus Querpfeife (nai), Kesselpauken (naqqara), Schellenbaum (chaghana) und großer Trommel (dawul) zusammensetzt. Um 1770 ist fast jede europäische Armee mit entsprechenden Musikkorps ausgestattet. Die Gattung des "Türkischen Marsches" wird alsbald zum Modestück, das sich genauso in Opern von Spontini und Gluck wiederfindet wie in Haydns „Militärsinfonie“ (Nr. 100). Bestes Beispiel jedoch: der Allegrettosatz von Mozarts A-Dur-Klaviersonate KV 331, „alla turca“ überschrieben.

Für Howard Griffiths, gebürtiger Engländer, Wahlschweizer und Chefdirigent des Brandenburgischen Staatsorchesters Frankfurt, der zehn Jahre lang als Solobratscher im Orchester des Opernhauses von Ankara arbeitete, mit einer Türkin verheiratet ist und perfekt die Landessprache spricht, war es ein Herzensbedürfnis, solches Lebensgefühl einmal alla turca programmmusikalisch zu gestalten. Dazu liefern ihm Mozart und Haydn, aber auch Jean-Baptiste Lully und Johann Joseph Fux entsprechende „Zutaten“. Doch die beschränken sich auf Nachgemachtes aus der türkischen Küche. Originales liefert dagegen Sultan Selim III. (1762-1808) mit seiner instrumentalen Ouvertüre „Suzi Dilara“.

Doch was ist typisch für türkische Musik? „Ihr total anderes Tonleitersystem mit Viertel- und Achteltönen“, erläutert Howard Griffiths, „die mit winzigen Änderungen in andere Tonarten wechseln“. Es werde auf einer Linie gespielt, sozusagen eintönig. "Zwischen solchen Übergängen wird frei improvisiert, was dauern kann!" Typisch seien weiterhin die vielen asymmetrischen Taktarten. Eher crossoverartig höre sich an, was dem zeitgenössischen Komponisten Burhan Öçal für sein Rhythmusspiel auf der Kelchtrommel (darbuka) und das Istanbul Oriental Ensemble eingefallen ist. „Je bizarrer ein Tonstück ist und je mehr Janitscharenmusik darin dominieren, desto reizender finden sie es“, urteilte ein Kritiker über den Geschmack des Breslauer Publikums 1801. Und heute? Wir dürfen gespannt sein. Peter Buske

29. März, 16 Uhr, Großer Saal: KLassik am Sonntag

Peter BuskeD

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