Kultur: Einrollen Ausrollen Herzklopfen Siebzehn Tanzworkshops umrahmen die Tanztage
Vor den weit geöffneten Türen des Studiohauses in der Schiffbauergasse sitzen fünf bis sechs junge Männer und Frauen in bunten Plastiksesseln auf dem Rasen. Hinter ihnen sieht man das Wasser zwischen den Bäumen schimmern.
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Vor den weit geöffneten Türen des Studiohauses in der Schiffbauergasse sitzen fünf bis sechs junge Männer und Frauen in bunten Plastiksesseln auf dem Rasen. Hinter ihnen sieht man das Wasser zwischen den Bäumen schimmern. Boote schaukeln entspannt in der Sonne. In der leeren Empfangshalle des Studiohauses sortiert Franziska Merker von der „fabrik“ hinter ihrem Tresen Kurslisten.
Die Aufführungen der Tanztage Potsdam beginnen zwar erst heute Abend, der interaktive Teil für Tanzbegeisterte läuft aber schon seit Montag: Siebzehn verschiedene Workshops umrahmen die Aufführungen. Angeboten werden unter anderem Yoga, Contact Tango, Tarantella, Jazz, Modern, Thai-Chi Dao-Yin, Salsa Improvisation und dieser Kurs mit dem mysteriösen Namen BMC der Griechin Lambrini Konstantinou.
Die drei Buchstaben stehen für Body Mind Centering, eine Tanzrichtung, die vor ungefähr 20 Jahren aus den USA nach Europa gekommen ist. BMC verbindet anatomisches Wissen mit improvisiertem Tanz und Meditation. Sie werde nicht nur von Tänzern und Choreographen genutzt, um neue Bewegungsabläufe zu entdecken, sagt Lambrini Konstantinou. BMC sei auch schon für therapeutische Zwecke entdeckt worden.
Lambrini Konstantinou war schon öfter an der „fabrik“ zu Gast. Dieses Jahr steht in ihrem Kurs das Herz im Mittelpunkt. Das zentrale Organ des Körpers, Sinnbild für das Zentrum der Emotionen und der Seele. Man ahnt es fast schon, eine feste Choreographie gibt es in diesem Kurs nicht. Keine Anleitung, in der man sich sicher fühlen kann. Nur das in sich Hineinhorchen, aus dem sich die Bewegungen entwickeln sollen. „Nicht denken“, sagt Lambrini Konstantinou immer wieder. Als ob das so einfach wäre. Sie spricht von dem anatomischen Aufbau des Herzens. Das Herz sei eine große Arterie, die sich zusammengerollt hat, bis zu der Form, die wir kennen: zwei Vorhöfe und zwei Kammern, die unablässig Blut pumpen. Die Kursteilnehmer sollen die Augen schließen, sich die einzelnen Schichten des Körpers von der Haut, über das Gewebe, die darunter liegenden Muskeln, Hohlräume und Organe vorstellen. Das Öffnen und Schließen des Herzmuskels. Lässt es sich tanzen?
Es klingt ganz einfach, eine imaginäre Reise in den eigenen Körper zu beginnen, Impulse aufzunehmen und dann in Bewegung umzusetzen. Es kostet jedoch einige Überwindung. Man muss sich darauf einlassen. „Der Wille zum Tanzen lässt sich nicht vortäuschen“, hat eine Tänzerin des New York City Balletts einmal geschrieben. Man fühlt sich nackt. Soll man dem Bedürfnis, sich zusammenzukauern oder sich auszustrecken, einfach so folgen? Schönheit und Perfektion spielen auf einmal keine Rolle mehr. Darin liegt eine Versuchung. „Ihr spürt schon, wie sich der Körper bewegen will“, sagt Lambrini Konstantinou. Aber was genau meint sie damit? Diese leise Sehnsucht, ein tiefes Gefühl mit dem Körper ausdrücken zu können? Das Bild tanzender Organe scheint nach drei Stunden BMC nicht mehr ganz so befremdlich. Tanzen hat eben doch etwas mit Forschen zu tun. Mögen die Potsdamer Tanztage beginnen. Undine Zimmer
, ine Zimmer
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