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Kultur: Eins, zwei, drei – Tradition

Ausstellung in der Produzentengalerie „M“ von neun Neumitgliedern des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler

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Ausstellung in der Produzentengalerie „M“ von neun Neumitgliedern des Brandenburgischen Verbandes Bildender Künstler Tradition heißt es, wenn man Sitten und Gebräuche pflegt. Und eine Tradition begründete der Brandenburgische Verband Bildender Künstlerinnen und Künstler, als er 2001 in seiner Produzentengalerie „M“ eine Gruppenschau neuer Mitglieder zeigte. Als Beginn einer Reihe wurde dies in der folgendenZeit fortgesetzt. Und auch in diesem Jahr zeigt der BVBK wieder Arbeiten neu aufgenommener Mitglieder. Die für die kleine Galerie ungeheure Zahl von neun Ausstellenden begrenzte die Anzahl ihrer Arbeiten auf ein Minimum, das nur Stichproben des jeweiligen Schaffens erlaubte. Dabei sind im Ausstellungsraum mit Malerei und Skulptur, Grafik und Fotografie auch fast alle traditionellen Techniken versammelt. Traditionell mutet das dreiteilige Bild „Rittersporn“, mit Acrylfarben auf Baumwolle gemalt, von Ellinor Euler an, die so neu im BVBK ist, dass ihren Name nicht einmal die verbandseigene Internetpräsenz verzeichnet. In koloristisch sicherem Griff zeigt die Malerin im Ausschnitt einen Blick auf die Blüten der Titel gebenden Pflanze in entfernt impressionistischer Manier. Ihrer Malweise nicht unähnlich sind am anderen Ende des Raumes die Ölbilder „Feldsteine“ und „Straßenpflaster“ von Elvy Lütgen, die im märkischen Wiesenburg mit Malerei, Fotografie und Skulptur arbeitet. Gäbe es die Titelschildchen nicht, würde wohl niemand vermuten, dass von Lütgen auch die kleinen Acrylglas-Objekte „Durchgang“ und „Hochhaus“ stammen. Ebenfalls malerisch tätig ist die Berlinerin Friederike Krusche, die in der Gruppenausstellung allerdings hochformatige, zweifarbige Holzschnitte und den zugehörigen Druckstock der „Arkana“-Serie zeigt. Verspricht der Titel auf Latein ein Geheimnis, werden mystisch gestimmte Betrachter dies vielleicht aus den Bildzeichen herauslesen, die an Schriften mittel- und südamerikanischer Hochkulturen erinnern. Nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft führen die skulpturalen Visionen des geborenen Stuttgarters Marcus Golter, der seit 2000 in Potsdam wohnt und als frei schaffender Bildhauer arbeitet. Das ethisch kontrovers diskutierte künstliche Reproduzieren von Leben thematisiert er mit dem Turm gestapelter Köpfe aus einem Sandsteinblock - aber warum sind einige Flächen vergoldet? „In Vitro“ heißt die Betonarbeit, bei der Gesichter aus amorpher Masse entstehen, umgeben von Röhren, hier versilbert. In diesem Spiel von Natur und Künstlichkeit sind die Skulpturen Golters den eigentümlichen Acryl-Leinwand-Bildern Dieter Wagners verwandt, der seit 1997 in Klausdorf am Mellensee in seinem „Atelier Z“ auch eine kleine Kunstschule betreibt. Auf seinem „Astra-Tanz“ streben männliche und weibliche Akte einem bunten Sternencluster entgegen. In das „Preußenjahr“ malte der auch grafisch und bildhauerisch tätige Wagner in eine weiße Farbwolke auf dunklem Grund neben der obligaten Pickelhaube zwei Porträtköpfe hinein. Ein Zugang öffnet sich dem Betrachter nicht. „Achterbahn“ ist das Thema der ausgestellten Arbeiten von Jürgen Villmow, der 1955 im märkischen Dahme geboren wurde und 1988 nach Berlin übersiedelte. Auf dem Ölbild wie auf einem Aquarell zeichnete er mit dem Pinsel die irre Fahrt der kleinen Wagen nach. Den Augen nicht einfach machen es auch die Materialarbeiten Annette Strathoffs, die seit 1980 ausstellt und im letzten Jahr nach Potsdam zog. Der Serientitel „Korsika“ und der bei jeder der ausgestellten Arbeiten genannte Ort legen nahe, dass hier Landschaften dargestellt sind. Dass dazu Baumwollstoff in unterschiedliche Formationen zusammengeschoben und gefältelt wurde, um dann mit Aquarellfarbe, Graffit und Kreide übergangen zu werden, ist eigentümlich und erinnert an Kunstgewerbe. Aus anderem Grund seltsam wirken die Acrylbilder auf Papier von Katrin Mason Brown, die seit 1997 mit ihrer Familie im Gutshaus in Ganzer unweit von Neuruppin lebt. So eigenständig Strathoff arbeitet, so abgeleitet ist die Ausdrucksform Mason Browns, die als Malerin, Designerin und Grafikerin tätig ist. Es ist gefährlich, dass sie einiges bei verschiedenen Kunstgrößen entlehnt hat, denn man vergleicht ihre Frauenakte in der Landschaft nach Kolorit, Figurenauffassung und Motiv mit jenen. Unorthodox wie sein Werdegang vom Maschinenbauer und Diplom-Ingenieur zum Kunstpädagogen und freien Fotografen ist auch die Arbeit von Michael H. Rohde, der aus dem westfälischen Lippstadt stammt und seit letztem Jahr in Weesow wohnt. „eigenheim“ ist der dreiteilige Computerdruck auf Leinwand betitelt. Digital nachbearbeitete Fotos sind teils eingefärbt und zu gleichsam kubistischer Sehweise ineinander verschränkt. Wer dies Heim sein eigen nennt, braucht einiges Geld und noch viel Arbeit bis zur Gemütlichkeit. Der Außenstehende wird bedauern, welcher Verfall sich hinter der Fassade verbirgt - in Potsdam keine ungewohnte Erfahrung. Und wennTradition zuweilen nach Staub und Wiederholung des ewig Gleichen klingt, hat der BVBK mit seiner Neumitglieder-Ausstellung das Gegenteil bewiesen.Götz J. Pfeiffer

Götz J. Pfeiffer

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