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Kultur: Einstein in Potsdam

URANIA-Matinee: Relativitätstheorie und Potsdam

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URANIA-Matinee: Relativitätstheorie und Potsdam Im Jahr 1954 machte sich vom Potsdamer Telegrafenberg eine Gruppe von Wissenschaftlern auf den Weg nach Nordschweden. Mit 15 Tonnen Ausrüstung im Gepäck wollte sie während einer Sonnenfinsternis weitere Messungen zur von Albert Einstein in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagten Ablenkung des Lichtes vornehmen. Zuvor hatte sie den in die USA emigrierten Einstein informiert. Antwort: Messungen unnötig, die Theorie stimmt. Die Expedition scheiterte dann aber an einem banalen Umstand: Starke Bewölkung ließ keine Beobachtungen zu. Unverdrossen brachen die Potsdamer Wissenschaftler 1955 zur nächsten Sonnenfinsternis auf, diesmal in mehrwöchiger Schiffsreise nach Ceylon. Auch diesmal scheiterten sie: starke Bewölkung. Diese Anekdote erzählte einer der damaligen Teilnehmer, der heute international geachtete Astrophysiker Prof. Dr. Wolfgang Mattig, auf der von der Potsdamer URANIA am Sonnabend im Alten Rathaus veranstalteten „Einstein-Matinee“. Die Kosten der fehlgeschlagenen Expeditionen müssen hoch gewesen sein, sie zeigen aber, wie sehr sich auch in der DDR-Zeit das Astrophysikalische Institut in Potsdam dem großen Physiker verpflichtet fühlte. Mattig ließ in seinem Vortrag den Bezug auf die der Relativitätstheorie zugrunde liegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten nicht aus, beging aber nicht den Fehler von Generationen von Physiklehrern, sie dem Publikum plausibel machen zu wollen. Den Zuhörern reichte die Zusicherung, sowohl die Lichtablenkung wie die Rotverschiebung seien durch immer genauere Messungen unwiderlegbar nachgewiesen und damit auch die Relativität von Zeit und Raum. Die Matinee konzentrierte sich auf die Bedeutung Potsdams als Wissenschaftsstadt für Einstein und seine Theorien. Dem folgte auch Dr. Ulrich Bleyer, Direktor der Berliner URANIA, in seinen Worten über „Michelson in Potsdam“. Der in Polen geborene Albert Abraham Michelson (1852-1931), der mit seinen Eltern in die USA ausgewandert war, hatte mit Hilfe eines von ihm konstruierten Interferometers den Nachweis erbracht, dass die Lichtgeschwindigkeit stets konstant bleibt. Diese Konstanz ist auch die zentrale Größe in Einsteins Spezieller Relativitätstheorie. Michelson erhielt 1907 als erster Amerikaner den Nobelpreis für Physik. Dass er seine Versuche in Potsdam begonnen hatte, blieb in den USA weitgehend unerwähnt. Dieses Kapitel der Wissenschaftsgeschichte wurde erstmals im Einsteinjahr 1979 (200. Geburtstag) recherchiert. Der Arbeitsgruppe gehörte seinerzeit auch Ulrich Bleyer an. Michelson war 1880 wie damals zahlreiche begabte junge USA-Wissenschaftler als Stipendiat nach Berlin geschickt worden, um seine Ausbildung zu beenden. Nachdem im großstädtischen Berlin keine geeigneten Voraussetzungen für die Versuche geschaffen werden konnten, bot H.-C. Vogel im von ihm geleiteten Astrophysikalischen Institut in Potsdam Michelson dafür einen Kellerraum an. Unter der Ostkuppel des Institutsbaus ist dieser „Michelson-Keller“ noch heute vorhanden, allerdings nach Sanierung des Komplexes nicht mehr in der ursprünglichen Form. Auch das erhalten gebliebene Podest für das Interferometer wurde entfernt. Der heutige Nutzer des Gebäudes, das Institut für Klimafolgenforschung, plant in dem Raum jedoch eine Erinnerung an den Physiker und seinen bedeutenden Versuch. Im dritten Vortrag der Matinee ging die Architektin Karin Flegel auf den Einsteinturm ein, der 1920/21 als „Sonnenwarte“ für den Nachweis Einsteinscher Voraussagen errichtet wurde. Mit dem Turm auf dem Telegrafenberg gelang Erich Mendelsohn ein weltweit bekanntes Beispiel des Expressionismus. Angefangen bei der Statik bis hin zur ungenügenden Regenentwässerung ließ er allerdings viele Baufehler zu, die den Turm zum „immerwährenden Patienten“ machen. Ab 19. März besteht in Potsdam die Gelegenheit, sich im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte am Neuen Markt in der Ausstellung „Ein Turm für Albert Einstein“ über die Entstehung und die Nutzung des ungewöhnlichen Bauwerks zu informieren. Erhart Hohenstein

Erhart Hohenstein

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