Kultur: Einstige und heutige Akteure der Musica sacra Jubiläums-Festkonzert des Nikolaichores
Anton Bruckners berühmte Motette „Locus iste“ von 1869 ist eine Kostbarkeit der A-cappella-Musik, wie sie später nur noch selten hervorgebracht wurde. „Dieser Ort ist von Gott gemacht, ein unaussprechliches Geheimnis.
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Anton Bruckners berühmte Motette „Locus iste“ von 1869 ist eine Kostbarkeit der A-cappella-Musik, wie sie später nur noch selten hervorgebracht wurde. „Dieser Ort ist von Gott gemacht, ein unaussprechliches Geheimnis. Kein Makel ist an ihm“, so die Übersetzung der lateinischen Worte der Komposition. Gedankenassoziationen an Raum und Duft des katholischen Kultraumes werden dabei wachgerufen. Doch bei dem Satz „Kein Makel ist an ihm“ stockt man und denkt sofort an die komplizierte Akustik der Kirche, in der man sich gerade befindet, der Nikolaikirche. Auch an diesem Freitagabend, beim Festkonzert zum 25jährigen Jubiläum der Wiedereinweihung der Schinkel-Kirche, ist dieser Makel nicht zu überhören.
Pfarrer und Kantoren mussten mit dem langen Nachhall von St. Nikolai von Anfang (1837) fertig werden. Auch Björn O. Wiede weiß davon ein Lied zu singen. Er ist wohl ständig auf der Suche, wie man in dieser Kirche einen angemessenen Klang erreicht, damit dieser nicht allzu sehr in unerfreuliche Turbulenzen gerät. Anton Bruckners „Locus iste“ erinnert an Palestrinas Motettenstil und ist für die Aufführung in dem großen Kuppelraum gut geeignet. Der klaren und feierlichen Aussagekraft der Komposition wurden der Nikolaichor bestens gerecht. Wiede vermochte alte A-cappella-Musik und spätromantisches Klangempfinden zu einer Einheit zu verbinden. Auch Felix Mendelssohn Bartholdys Hymnus „Hör mein Bitten“ hört man in St. Nikolai ohne akustische Einbußen. Der Komponist verbindet barocke Formenstrenge und romantische Gefühlswärme. Auch hierbei fanden der Chor und Wiede, der vom Bechstein-Flügel aus leitete, eine ausdrucksstarke Wiedergabe, obwohl man vom Chorsopran mehr stimmlichen Glanz erwartete. Den hörte man jedoch von der glockenklar intonierenden Solosopranistin Christine Wolff um so mehr. Voller Farben und Stimmungen sang sie die Partie in diesem Mendelssohn-Werk sowie in Mozarts ebenfalls tief-gläubiger Vertonung des 116. Psalms „Laudate Dominum“. Danach gab es spontanen Applaus.
Björn O. Wiede erinnerte in seinem Programm an die Chortraditionen von St. Nikolai und an Kantoren, die in ihr wirkten, sowie an Potsdamer Komponisten. Neben Mendelssohn Bartholdy, der auch in der einstigen Residenzstadt musikalische Spuren hinterließ, erklang Hans Chemin-Petits Chorpartita „Nun danket all’ und bringet Ehr“. Tradierte Satzkunst verband auch er mit einem neuen, differenzierten Klangspektrum. Die zumeist polyphonen Formen der Chorpartita waren recht heikel für den Nikolaikirchenraum und machten es den Ausführenden nicht ganz leicht, eine geschlossene Wirkung zu erzielen. Schon eher bei dem von spätromantischer Emphase durchdrungenen Pfingstlied-Satz „Schmückt das Fest mit Maien“ von Wilhelm Kempff sen., der von 1899 bis 1938 Nikolaikantor war. Fritz Werner wurde dessen Nachfolger bis 1939. Von ihm erklang die recht spröde Choralkantate „Lobet den Herren, alle, die ihn ehren“, die für den gottesdienstlichen Gebrauch geschrieben wurde.
Björn O. Wiede, der seit zwölf Jahren die musikalischen Geschicke an der Kirche leitet, tritt auch immer wieder als Komponist hervor. An der neuen Orgel musizierte er Invokation und Choral, die klanglichen Möglichkeiten des Instruments voll ausschöpfend, expressiv und klangsinnlich.
Ein Festkonzert, das Chortraditionen an der Nikolaikirche bedachte, seine einstigen und heutigen Akteure der Musica sacra ins rechte Licht rückte.
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