Kultur: Elegischer Ton, erregte Ausbrüche, turbulentes Treiben
Sommertheater des Hans Otto Theater in der Sanssouci-Orangerie mit „Was ihr wollt“ und „Onkel Wanja“
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Sommertheater des Hans Otto Theater in der Sanssouci-Orangerie mit „Was ihr wollt“ und „Onkel Wanja“ Wandertheater könnte man meinen. Das Hans Otto Theater ist unterwegs zu den verschiedenen Spielorten. Und mit ihm das Publikum. In diesem Monat führt der Weg zur Orangerie im Park Sanssouci. Die Winterquartiere für exotische Pflanzen, die im Sommer vor Leere gähnen, sind bestens geeignet, dass in ihnen in diesen Wochen Theater gespielt wird. Das Theater entschied sich für „Was ihr wollt“ und „Onkel Wanja“ von William Shakespeare beziehungsweise Anton Tschechow. Zwei Stücke, deren Entstehungszeit zwar 300 Jahre zurückliegen, aber doch auch verwandtschaftliche Bezüge aufweisen, besonders durch die verwirrenden Situationen, in die die Personen geraten. Die lang gestreckte Westhalle mit ihrer Galerie nutzen die Regisseure Uwe Eric Laufenberg und Tobias Sosinka sowie der Bühnenbildner Gisbert Jäkel als Theaterhaus weidlich aus. Am Freitag und am Sonnabend hatten die beiden Stücke Premiere. Man erlebt die Traumlandschaft Illyriens genauso wie die Weite der russischen Landschaft. In „Onkel Wanja“ sitzen die Zuschauer an der Stirnwand der Pflanzenhalle. Vor ihnen – auf der Szene – ein paar Sitz- und Liegemöbel, Tische mit dem unverzichtbaren Samowar und den Wodkagläsern. Nach und nach treffen Verwandte, Bekannte und Hauspersonal auf dem Landgut von Iwan Petrowitsch Woinizki, genannt Onkel Wanja, ein, darunter auch der ständig kränkelnde emeritierte Professor Serebrjakow mit seiner jungen und attraktiven Frau Jelena. Sie wird von Wanja und von dem Arzt Dr. Astrow geliebt. Doch auch Sonja, die Tochter des Professors aus erster Ehe, die mit Onkel Wanja das Gut bewirtschaftet, liebt Astrow, der jedoch ihre Liebe nicht erwidert. Und Jelena schenkt den Liebesbekundungen des Arztes und Onkel Wanjas, trotz kleiner Flirts, letztendlich kein Gehör. Ganz ruhig inszenieren Laufenberg und Sosinka den Beginn mit seiner bittersüßen Melancholie der Langeweile. Doch immer stärker entwickelt sich das Stück zu einem erregten Drama, in dem fast ein Mord passiert. Zum Schluss, als die „Unruhestifter“ dem Landleben Adieu sagen, herrscht wieder Stille auf dem Gut. In der Arbeit suchen Onkel Wanja und Sonja einen Ausweg, um die aufregenden Tage zu vergessen. Der Reichtum der Tschechow’schen Figuren, an Motiven, Stimmungen, Brüchen stellt sich in dieser Aufführung so wunderbar und unprätentiös her. Großartig, wie der rhythmische Wechsel in dieser Inszenierung funktioniert: der sanfte, elegische Ton und die erregten, verzweifelten Ausbrüche. Das homogene Darstellerensemble von Tschechows „Onkel Wanja“ war am Tag zuvor bis auf wenige Ausnahmen in „Was ihr wollt“ von William Shakespeare zu erleben. In dieser Komödie wird man zu weitgehend gelungenem Spiel, Fest und Spektakel eingeladen, zu raschen Verwandlungen, filmschnittartigen Wechseln, dynamischem und turbulentem Treiben. Die Zuschauer müssen den Darstellern an verschiedene Spielorte folgen und so mit unterschiedlichen akustischen Gegebenheiten, die leider nicht immer günstig für das Verstehen des Textes waren, zurechtkommen (Thomas Brasch übersetzte beide Stücke). Zunächst ging es an ein Wasserbassin, über das die Personen nur über einen schmalen Steg das andere „Ufer“ erreichen. Schnell verliert so mancher die Balance. Denn fast alle Figuren sind verrückt nach Liebe. Der Herzog verzehrt sich nach Olivia, Olivia verschmäht ihn, verliebt sich aber in Viola, die sich für Cesario ausgibt. Viola verliebt sich in Männerkleidern in den Herzog Orsino, Sebastian, der Zwillingsbruder Violas, liebt – am Ende – Olivia, der Junker Leichenwang wäre auch gern deren Liebhaber und hätte ebenso gern was mit Maria, dem Kammermädchen Olivias, die jedoch ein Verhältnis mit Tobias Rülp hat. Und nur der Narr hält sich da raus. Doch die tragischste Figur des Stückes ist die des Haushofmeisters der Olivia, Malvolio. Laufenberg und Sosinka geben ihn zwar in seiner rechthaberischen Lächerlichkeit preis, aber sie vergessen nicht, ihn in einer großen, wohl kaum heilbaren Verletzung zu zeigen. Philipp Mauritz spielt diese Rolle mit großer Intensität und fast artistischer Brillanz. Doch alle Schauspieler wissen ihre Rollen, die sie in zeitlosen Kostümen von Jessica Karge spielen, in beiden Stücken mit weitgehender Souveränität, Präzision, natürlichem Zauber und tiefgründiger Komik darzustellen. Hochachtung also vor Adina Vetter als Jelena und Olivia, Meriam Abbas als Sonja und Viola, Christian Klischat als Onkel Wanja und Leichenwang, Günter Junghans als Serebrjakow und Rülps, Henrik Schubert als Dr. Astrow und Orsino, Günter Rüger als Telegin und Narr, Rahel Ohm als Woinizkaja und Maria aber auch Gisela Leipert als Kinderfrau und Yüksel Yolcu als Sebastian. Für eine pastellfarbene Stimmung sorgt Marc Eisenschink mit seinen Gitarrentönen. Die Liebe und die Sehnsucht nach ihr sind in beiden Stücken Thema Nummer 1. Das Publikum fand schnell heraus, welche Parallelen zwischen den Figuren in beiden Stücken zu finden sind. Und es war begeistert von zwei großen Theaterabenden. Es gab viel Beifall und Bravorufe.
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