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Kultur: Enge Grenzen

Günter Nooke über die Idee der Menschenrechte

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Hehre Ziele hatten sich die Väter der UN-Menschenrechtskonvention gesetzt, als sie das bahnbrechende Dokument am 10. Dezember 1948 in Paris unterzeichneten. Nach dem Trauma des Zweiten Weltkrieges und dem Zivilisationsbruch Auschwitz gaben die noch jungen Vereinten Nationen damit ihrer Hoffnung Ausdruck, die Welt ein für allemal menschenwürdiger zu gestalten. Eine Hoffnung, die allerdings nur in einem kleinen Teil der Welt politische Wirklichkeit wurde. Mitten durch Europa zog sich noch 40 Jahre lang ein eisener Vorhang, der die kommunistische Hemisphäre vor den „Unbilden“ der Menschenrechte schützte. Und zahllose Diktaturen zeigten und zeigen noch immer, wie aktuell eine Debatte um die Wahrung der Menschenrechte ist.

„Wir müssen die Idee universeller Menschrechte retten“, fordert daher nicht ganz von ungefähr Günter Nooke, der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Aus Anlass des 60. Jahrestages der UN-Konvention lud das Menschenrechtszentrum der Uni Potsdam Nooke zu einer Diskussion über Widersprüche in der Menschenrechtspolitik ein. Beispiele für eine widersprüchliche Haltung westlicher Staaten lassen sich in der Tat recht leicht finden. Man denke nur an Guantanamo oder Abu Ghreib – beides steht für das moralische Versagen ausgerechnet des Mutterlandes der Demokratie.

Aber auch die Position vieler westlicher Staaten, nicht zuletzt der Bundesrepublik, in Bezug auf Russland oder China nährt allzu oft den Verdacht, dass Menschenrechtsfragen hinter wirtschaftspolitischen oder geostrategischen Interessen zurückgestellt werden. Von eklatanten Menschenrechtsverletzungen in so vielen von Krieg und Gewalt geprägten Gegenden der Welt, die regelmäßig von der die Menschenrechte eigentlich doch verteidigenden Völkergemeinschaft ignoriert werden, ganz zu schweigen. Sind die hehren Verlautbarungen von einst zur Makulatur verkommen? Die Wirklichkeit, so Nooke, sei kompliziert. Politisches Handeln lasse sich nicht einfach am Wunschdenken ausrichten. Für ihn sind Menschenrechte daher immer auch eine Machtfrage. Was nütze die Forderung nach Einhaltung der Menschrechte, wenn die Politik nicht Kraft und Willens sei, diese auch durchzusetzen?

So plädiert Nooke dafür, die eigene Menschenrechtspolitik offensiv etwa gegenüber Diktaturen zu vertreten. Sich nicht durch ihren Verweis auf die inneren Staatsangelegenheiten einnebeln zu lassen. Hier konnte man Nookes eigene biographische Erfahrung spüren. Wie seine Dienstchefin Angela Merkel, die er ausdrücklich für ihr Engagement in punkto Menschenrechte lobte, stammt auch Nooke aus der DDR. Schon damals hatte der Ostblock jegliche Kritik an Menschenrechtsverletzungen als Einmischung in die inneren Angelegenheiten zurückgewiesen. Dreh- und Angelpunkt der Menschenrechtspolitik ist auch heute die Frage, inwieweit die Durchsetzung der in der UN-Charta vereinbarten Menschenrechte sich über die Souveränität eines Staates stellen darf.

Allerdings ist auch Nooke Politiker genug, um zu wissen, dass aktive Menschenrechtspolitik häufig an den Realitäten vor Ort scheitert. Stabilität in einer Region habe Vorrang, anders seien Menschenrechte letztlich nicht durchsetzbar. Wer wollte, konnte darin das klassische Argument der Realpolitik sehen, die unbotmäßige Regime kühl kalkuliert toleriert. Nooke zeigte damit die engen Grenzen, in denen sich die Menschenrechtspolitik auf internationalem politischen Parkett bewegen muss. Carsten Dippel

Carsten Dippel

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