Den schwungvollen Sturmmarsch-Galopp des Berliner Dirigenten und Komponisten Benjamin Bilse, der mit seinem Orchester das Stück erstmals in Potsdam vor König Friedrich Wilhelm IV. musiziert haben soll, brachte das Stadtorchester Luzern als besonderen Gruß für die Potsdamer mit. Aber nur wenige Landeshauptstädter vernahmen am Pfingstsamstag diesen Galopp, denn sie waren bei dem Konzert der Luzerner Gäste im Nikolaisaal nicht sehr zahlreich vertreten. Die 63 Musikerinnen und Musiker schauten auf viele leere Stühle in Potsdams Konzerthaus. Glücklicherweise wurde das Stadtorchester von einer Reihe Fans begleitet.
Als einen lebendigen Kulturaustausch bezeichnete dennoch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs in seinem Grußwort die partnerschaftlichen Beziehungen zwischen der schweizerischen Stadt Luzern und der brandenburgischen Landeshauptstadt dieses Konzert. Damit es wirklich so wird, sollten die Veranstalter – die Stadtverwaltung Potsdam – das nächste Mal in Sachen Werbung mehr tun.
In Luzern hat der Klangkörper immer wieder sein hervorragendes Renommee zu verteidigen. Bereits schon seit 142 Jahren. 1868 haben musikbegeisterte Mitglieder des Vereins junger Kaufleute ein Streichquintett gegründet, aus dem schließlich ein Kammerorchester hervorging. Seit 1999 wird das Ensemble Stadtorchester Luzern genannt, vorher Orchester des kaufmännischen Vereins bzw. Orchestergesellschaft. Durften in den ersten Jahrzehnten nur Männer in ihm mitwirken, so bereichern seit 1907 auch Frauen mit ihren Instrumenten und ihrer musikalischen Begabung die Riege der Orchestermitglieder. Heute geben in der Mehrzahl Damen den Ton im Stadtorchester an. Die meisten Musikerinnen und Musiker sind nach wie vor Laien, die Freude an der Gemeinschaft mit Gleichgesinnten haben, anspruchsvolle Werke einstudieren und sie weitgehend auf gutem Niveau der Öffentlichkeit präsentieren.
Zwei Konzerte werden in jedem Jahr absolviert. Das vor einer Woche im Luzerner Kultur- und Kongresszentrum musizierte Programm wurde nun in Potsdams Konzerthaus vorgestellt. Unter dem Dirigat des gebürtigen Rumänen Dan Covaci-Babst spielte das Stadtorchester ein ambitioniertes Programm mit Werken von Gioacchino Rossini, Ludwig van Beethoven und Franz Schubert, Werke, die auch für jedes professionelle Orchester eine lohnende Herausforderung sind. Ein Liebhaberorchester muss viele Proben investieren, damit es in der Lage ist, die Kompositionen unverkrampft und leicht zu spielen. Dan Covaci-Babst bereitete die Musiker klanglich und technisch gut und sicher vor. Jedoch hatte man den Eindruck, vor allem bei den Streichern, dass man ausschließlich auf Sicherheit setzte. Nur nichts falsch machen, hieß die Devise. Man wünscht dem Dirigenten mehr Mut, sich gestalterisch intensiver einzubringen. Leider war auch die Freude am Musizieren bei ihm selten zu spüren.
Die hätte die Ouvertüre zu Rossinis Oper „Die Italienerin in Algier“ bestens vertragen. Ihr fehlte weitgehend Leichtigkeit und Witz, zu behäbig kam sie daher. Trotz der warmen Farben, die Covaci-Babst für Franz Schuberts 6. Sinfonie C-Dur wählte, wäre durch das Einbringen differenzierterer Tempi der Rossini‘sche Geist der Musik besser zum Tragen gekommen.
Höhepunkt des Abends war Beethovens Tripelkonzert op. 56. Das Werk verlangt ein Klaviertrio, das solistische Brillanz mit kammermusikalisch präzisem Zusammenspiel verbindet. Die Luzerner verpflichteten dafür das Artemis-Trio. Den schwierigsten Part hatte die Cellistin Bettina Macher. Sorgsam kommentierte sie mit warmem Ton die Stichworte, die das dezent und sorgsam musizierende Orchester ihr gab, bravourös-energisch nahm sie die Bälle auf, die ihr die Geigerin Katja Hess zuspielte. Aus dem relativ schlichten, ursprünglich für Beethovens Gönner Erzherzog Rudolf bestimmten Klavierpart kitzelte Myriam Ruesch ein Höchstmaß an lyrischer Farbigkeit heraus. Es gab viel Beifall und farbige Blumensträuße für die drei Damen, für das Stadtorchester Luzern und dem Dirigenten Dan Covaci-Bapst. Der Abend war eine erkenntnisreiche Entdeckung eines Liebhaberorchesters, das sich den Kompositionen von Klassik und Romantik mit Ernsthaftigkeit um ein Höchstmaß an Niveau bemüht. Klaus Büstrin
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