Kultur: Entscheidung für Anspruch und Qualität
Kunisch, Genazino, Strubel und mehr – Das Halbjahresprogramm des Brandenburgischen Literaturbüros
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Es ist immer eine Gratwanderung zwischen Anspruch und Kommerz. Und seit Jahren gelingt es dem Team vom Brandenburgischen Literaturbüro um Geschäftsstellenleiter Hendrik Röder, trotz mancher Unwägbarkeiten und begrenzter Finanzen, immer wieder mit einem Programm zu überzeugen, bei dem in Sachen Literatur in erster Linie Anspruch und Qualität ausschlaggebend sind. Da kann es passieren, dass bei einem Besuch des amerikanischen Schriftstellers David Vann in Potsdam im vergangenen Jahr gerade einmal 40 Besucher den Weg ins Waschhaus fanden. Oder bei der Lesung von Sibylle Lewitscharoff aus ihrem preisgekrönten Roman „Blumenberg“ 14 Zuhörer in der Villa Quandt gezählt wurden.
Hendrik Röder spricht am Mittwoch in der Villa Quandt bei der Vorstellung des Veranstaltungsprogramms für das erste Halbjahr 2012 offen über solche Veranstaltungen. Er weiß, dass er mit zu wenig besuchten Lesungen rechnen muss. Das gehört zum Geschäft mit der Literatur, wenn man auf Anspruch und nicht auf Entertainment setzt. Aber Hendrik Röder weiß auch, dass ein Großteil der Veranstaltungen vor ausverkauftem Haus stattfinden, bei manchen Lesungen sogar mehrere 100 Besucher kommen. In dieser Hinsicht wird sich das Brandenburgische Literaturbüro auch mit der ersten Veranstaltung in diesem Jahr treu bleiben.
„Friedrich der Große“ ist das Thema in diesem, seinem Jubiläumsjahr zum 300. Geburtstag, wenn am kommenden Montag um 20 Uhr in der Villa Quandt der Publizist Alexander Gauland auf den Historiker und Friedrich-Biografen Johannes Kunisch trifft und beide über das politische Vermächtnis des Preußenkönigs diskutieren werden. Die Veranstaltung ist fast ausgebucht, wie Röder sagte. Und das wird nicht allein daran liegen, dass Friedrich II. in diesem Jahr als Selbstläufer gelten kann, sondern dass das Literaturbüro mit Johannes Kunisch einen Experten nach Potsdam eingeladen hat, dessen im Jahr 2004 erschienene Biografie „Friedrich der Große. Der König und seine Zeit“ trotz der zahlreichen Neuerscheinungen zum Jubiläum immer noch als Standardwerk gilt. Neben dem Gespräch zwischen Kunisch und Gauland ist ein weiterer Beitrag zum Friedrichjahr der Besuch von Hans Joachim Schädlich, der seine Novelle „Sire, ich eile“ im Juni in Potsdam vorstellt.
Ansonsten bietet das Programm mit 12 Veranstaltungen für Potsdam die bekannte Mischung aus Prosa und Sachliteratur. Und wie jedes Jahr hat der Literaturbegeisterte wieder genug zu tun, die Termine in seinen Kalender einzutragen. Da ist am 29. Februar der Besuch von Wilhelm Genazino, der aus „Wenn wir Tiere wären“ liest. Am 11. März stellt der Potsdamer Rolf Hosfeld, der sich in direkter Nachbarschaft zur Villa Quandt als Wissenschaftlicher Leiter im Lepsiushaus engagiert, als Buchpremiere seine Biografie „Tucholsky. Ein deutsches Leben“ vor. Ende März ist dann die Potsdamerin Antje Rávic Strubel mit „Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg“ zu Gast, ebenfalls eine Buchpremiere. Marion Brasch stellt „Ab jetzt ist Ruhe. Roman meiner fabelhaften Familie“ vor, Heimo Schwilk liest aus seiner Biografie „Hermann Hesse. Das Leben des Glasperlenspielers“ und der Potsdamer John von Düffel spricht, wie in den Jahren zuvor, wieder über Thomas Mann, in diesem Jahr über den Roman „Joseph und seine Brüder“. Aber auch bekannte und bewährte Kooperationen finden in diesem Jahr wieder statt. So stellt Ines Geipel Ende März ihr Buch „Der Amok-Komplex oder die Schule des Tötens“ in der Kleistschule vor, in der Druckerei Rüss wird der bekannte Schauspieler Josef Bierbichler aus seiner imposanten Familienchronik „Mittelreich“ lesen und auch David Vann ist wieder zu Gast in Potsdam. Am 16. April wird dieser herausragende Autor im Waschhaus „Die Unermesslichkeit“ vorstellen. Bitte im Kalender vormerken! Es gilt, einen Autor zu entdecken! Dirk Becker
Informationen zum Programm auf dem kostenlosen Veranstaltungsleporello oder unter www.literaturlandschaft.de
Dirk Becker
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