Kultur: Entscheidungen für den Glauben Erinnerungen aus den Jahren 1945 bis 1989
Anfang der siebziger Jahre kam eine private Elektro-Firma aus der Berliner Straße zu der besonderen Ehre, in der ehemaligen Villa Kampffmeyer am Glienicker Horn neue Stromkabel zu verlegen, natürlich unter den Augen bewaffneter Wächter. Denn die Villa diente dem KGB und der Stasi nicht nur beim Austausch von Agenten auf der Glienicker Brücke als Beobachtungsposten.
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Anfang der siebziger Jahre kam eine private Elektro-Firma aus der Berliner Straße zu der besonderen Ehre, in der ehemaligen Villa Kampffmeyer am Glienicker Horn neue Stromkabel zu verlegen, natürlich unter den Augen bewaffneter Wächter. Denn die Villa diente dem KGB und der Stasi nicht nur beim Austausch von Agenten auf der Glienicker Brücke als Beobachtungsposten. Man arbeitete sich von Raum zu Raum bis zum Unnahbaren vor. Was tun? Unmöglich, ein Haus zu verkabeln und ein Zimmer außen vor zu lassen. Und die dahinter? Alles abdecken!! befahl man den Geheimen. Die Monteure mussten nun gesenkten Hauptes durch jene geheime Kommandozentrale huschen: „Nichts hören – nichts sehen – alles vergessen!“, so der Befehl. Und das nun ausgerechnet bei der Firma Horch & Guck!
Nicht alle Beiträge in der „Gelben Reihe“, einer Veröffentlichung der Katholischen Propstpfarrei St. Peter und Paul, sind im Nachhinein so erheiternd. Angeregt durch den Totalverlust des Gemeinde-Archivs beim Alliierten Bombardement auf Potsdam, sammeln die unermüdlichen Forscher und Publizisten Manfred Gläser und Michael Kindler seit Jahren Material für ein neues. Die auf mittlerweile dreizehn Veröffentlichungen angewachsenen Reihe ist informativ und auch wichtig für Potsdam, weil Teil seiner Kultur.
Das neueste Heft mit dem Titel „Entscheidung für den Glauben“ wurde am Dienstag in der proppevollen „arche“ präsentiert. Voll auch deshalb, weil viele der eigentlichen Autoren im Boot saßen. Die beiden Gemeinde-Archivare hatten mehr als dreißig Mit-Katholiken nach ihren „Erfahrungen im atheistischen Staat DDR 1945 bis 1989“ befragt und teils selber aufgeschrieben, was sich da für tragische und spannende Welten auftaten. Auch die Potsdamer Autorin Sigrid Grabner half mit. Den Herausgebern kam es darauf an, die Zeitzeugen einfach reden zu lassen. So kamen die unterschiedlichsten Geschichten ans Licht. Tödlich und tragisch oft beim vermeintlich „demokratischen Neuanfang“ nach 1945, aus den unterschiedlichsten Gründen bedenklich in den Zwischenjahren samt Mauerzeit, engagiert bis insistierend in den letzten Monaten der DDR, denn in Sachen Demokratie und Erneuerung wollten auch Potsdamer Katholiken mitreden.
Die 1986 gegründete „arche“ hatte da als „Kreis junger Erwachsener“ schon etwas vorgebaut. Kriegsrecht Juni 53 in Potsdam, das katholische Erfolgs-Kabarett „Der Scheiterhaufen“, endlose Behinderungen und Verfolgungen der Gläubigen, aber auch christliche Solidarität: Der Titel „Entscheidung für den Glauben“ verweist auf eine Geschichte, wo ein Zeitzeuge seine Gemeinde aus Glaubensgründen eben nicht im Stich lassen wollte. Viele aber gingen weg, obwohl man bei St. Peter und Paul auf sie gebaut hatte. In ihrem Selbstverständnis haben die Potsdamer Katholiken ihre Autonomie gegen den Staat besser bewahrt als andere. Die Veröffentlichung verweist klar in diese Richtung. Ihren doppelten Umfang hat sie dem kräftigen Sponsoring von Kulturland Brandenburg und Landeszentrale für Politische Bildung zu danken. Gerold Paul
„Entscheidung für den Glauben. Potsdamer Katholiken von 1945 bis 1989“ zu beziehen über das Gemeindebüro St. Peter und Paul, Am Bassin 2
Gerold Paul
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