Kultur: Er reiste viel, redete viel, baute viel
Stefan Vöhringer sprach in der Friedenskirche über den Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV.
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Im Rahmen einer Studienreise mit Schwerpunkt Preußen machte Stefan Vöhringer, stellvertretender Direktor des Akademiezentrums Sankelmark nahe Flensburg, auch in Potsdam Station. Er fragte bei der Friedensgemeinde an, ob er einen Vortrag über Friedrich Wilhelm IV. dort halten könne, wo dessen Gebeine ruhen. In der Friedenskirche, die der König selber erbaut und von vornherein zu seiner Grabstatt bestimmte. Fast 100 Besucher nutzten am Montag die Gelegenheit, ein klein wenig anders über das Lebenswerk dieses Regenten nachzudenken, über den Sinn der Monarchie, die wahren Motive seiner Bauwut – und den Ort, wo dieser tief begründete Vortrag stattfand.
Es war ein Blick ins Herz dieses Mannes! Der Referent zeichnete das Bild von „Fritz“, wie Königin Luise ihren Ältesten gern nannte, gleichsam von innen nach außen. Demnach war eine tiefe, mit den Kerngedanken der Romantik verschwisterte Religiosität der Antrieb all seinen Handelns. Ganz im christlichen Sinne wollte Friedrich Wilhelm IV. ein Mann des Friedens und der Kultur sein und so an der Christenheit bauen, wie es Novalis in einem Aufsatz beschrieb. Genau deshalb lehnte er demokratisches und revolutionäres Gedankengut so radikal ab, deshalb wollte er Preußen keine Verfassung erlauben, sein „allein von Gott“ erhaltenes Amt stand höher. Von dieser Innensicht her lässt sich seine gesamte Politik verstehen: Die Ablehnung der Kaiserkrone 1849 aus der Hand von Demokraten, der Bau an der Heiligen Allianz, die Neutralität beim Krimkrieg.
Der Mann hatte einfach Ansichten, an denen er festhielt. Sie brachten Preußen seit seinem Amtsantritt 1840 tatsächlich 21 Friedensjahre. Und eine fast fieberhafte Bautätigkeit im ganzen Land. Friedrich Wilhelm Vier vollendete den Kölner Dom, empfahl etliche Burgen, Häuser und Denkmale seinen Restauratoren, legte Parks an, ließ Neues errichten, die Friedenskirche inklusive. Alles bekannt, aber warum tat er das mit solcher Obsession?
Stefan Vöhringer zeigte den Entwurf einer Gloriole, darin der Regent sein Weltbild entwarf. Es entspricht in seinem vertikalen Sphärenbau genau der romantisch-christlichen Sicht: Oben Gott und die Seinen, unten der König mit den Seinen – Preußen! Friedrich Wilhelm IV. wollte die hiesige Kulturlandschaft also mit dem Gottesgnadentum vereinen und dies auch architektonisch fixieren. Daran hat er so visionär gebaut, freilich in einer Zeit innerer Unruhen und technischer Umwälzungen. Sollte er deshalb posthume „geisteskrank“ genannt worden sein? Der Redner bestritt eine solche Krankheit ganz vehement. Wer sich so viel vornimmt, kann nicht mal träumen. Tatsächlich war „der Romantiker auf dem Thron“ äußerst umtriebig: Er reiste viel, redete viel, baute viel, er war in Friedensdingen so aktiv, dass Schinkel und Lenné bald über Burn-out-Symptome klagten. Noch nach mehreren Schlaganfällen ließ er sich im Rollstuhl zur Orangerie fahren, um die Arbeiten in seinem „Märkischen Paradies“ zu überwachen.
War nun alles seinem „unerschütterlichen Glauben an das Gottesgnadentum“ gewidmet, so auch die Friedenskirche. Nach Vöhringer ist sie nicht nur sein Grab, sondern auch sein Testament: Ihre byzantinische Apsis verweist auf das Ideal des Urchristentums, auf die Überwindung der Glaubensspaltung. Mit „Gerechtigkeit, Liebe und Friedseligkeit“ mahnt sie die Ideale der Heiligen Allianz an. Thron und Altar in allegorischer Nähe fast eins! Letztlich hat der König als Christ und Architekt alles auf den Heiland, den obersten Herrn in Frieden und Liebe, bezogen, wie auf dem Rundbogen zur Apsis verzeichnet. Und er hat sich selber mitgedacht, als Begründer in seiner Gruft, als Architekt und Friedensfürst, der er ja war. Um das alles zu erfassen, kann man gar nicht allegorisch genug denken! Danke für diesen Vortrag.
Gerold Paul
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