Kultur: Er weiß, wovon er spricht
Michael Scherff spielt ab morgen am Hans Otto Theater in der Komödie „Der Gott des Gemetzels“
Stand:
Er kennt die Situation aus eigenem Erleben – würde sich aber persönlich ganz anders verhalten als seine Bühnenfigur. Michael Scherff liebt klare Ansagen, macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Michel hingegen ist eher ein Leisetreter, der auszugleichen versucht, statt sich in die Konfrontation zu stürzen. Und er ist auch der Mann seiner Frau, der mitzieht, wenn sie meint, es muss jetzt so sein. Also laden Michel und Véronique die Eltern von dem Jungen ein, der ihrem Sohn bei einer Prügelei zwei Zähne herausgeschlagen hat. Veronique erwartet eine Entschuldigung. Doch statt dessen fliegen alsbald die Fetzen. Das „Friedensgespräch“ eskaliert zu einer Schlacht, in der nicht nur die Fassaden bröckeln, sondern ganze Mauern zerbersten. Am Ende geht es nicht mehr um die kleinen „Prügelknaben“, sondern um die eigenen Lebens- und Denkmuster, die aufeinanderprallen – auch innerhalb der Ehen.
Das Stück „Der Gott des Gemetzels“ von der erfolgreichen französischen Gegenwartsautorin Yasmina Reza sei eine bitterböse Komödie. „Man kann die Personen nicht oberflächlich spielen, sonst würde man sie denunzieren. Es ist wie ein Coming out: alle Vier entdecken etwas Neues an sich, eine Art von neuer Freiheit. Ob sie allerdings am Ende weiterbesteht, weiß ich nicht zu sagen“, so Michael Scherff. Anders als in der Literatur-„Vertonung“ von „Leyla“, wo er zuvor als der böse Vater zu sehen war, sei hier der Text als geschliffener Theaterdialog geschrieben. „Ein Schauspielerstück, dicht an den Charakteren dran, das relativ wenig Zeit zum Atmen lässt. Allein durch die falsche Wortwahl nimmt die Katastrophe ihren Lauf, prallen verschiedene Vorstellungen von Erziehung aufeinander.“
Und da kann der dreifache Vater auch ein Lied von singen, allein wenn er an die Elternabende bei seinen Kindern denkt. Oft fühle er sich dabei wie ein Exot: „Entweder werde ich wie ein Vollidiot behandelt oder bewundert, weil ich Schauspieler bin. Mitunter gehe ich die Dinge schon anders an. Ich erinnere mich noch sehr genau, wie ein Vater, Rechtsanwalt, sagte: ,Dieses Kind muss ausgemerzt werden“, nur weil es nicht in seine Normvorstellung passte. Bei solch einem Sprachduktus muss man natürlich ,draufschlagen“. Da kann ich nicht ruhig sein.“ Michael Scherff versucht, trotz seines umtriebigen Schauspielerberufs, an seinen Kindern dran zu bleiben, sich nicht von der Arbeit auffressen zu lassen. „Wenn es geht, spiele ich nicht mehr als vier Stücke im Jahr. Manche Kollegen können gar nicht genug kriegen. Ich finde hingegen, dass es einen leer macht, man keine Fantasie mehr im Kopf hat, wenn man zu viel arbeitet. Man geht ja nicht nur an ein Haus, um Geld zu verdienen.“ Scherff, der in großen Rollen wie Romeo, Peer Gynt, Macbeth oder Amadeus zu sehen war, hat auch schon mal ein Jahr gar nicht gespielt: „einfach, weil ich die Schnauze voll hatte. In zehn Jahren nur drei Mal Urlaub, das ging über meine Kräfte.“ Der gebürtige Wiener, der am Mozarteum seine Schauspielausbildung erhielt, war anfangs am Landestheater Salzburg, dann an der Landesbühne Esslingen und am Staatstheater Braunschweig. Bis zu seiner „Pause“, die er nutzte, um in Hamburg ein Haus zu bauen. Und er merkte dabei, dass auch der Beruf des Tischlers etwas für ihn gewesen wäre. Wie auch der des Kochs oder Fotografen ihn gereizt hätten. Vor kurzem liebäugelte er schließlich damit, in Hamburg ein Bio-Café aufzumachen – wenn es mit den Räumlichkeiten geklappt hätte. Nun ist er aber weiterhin Schauspieler und das seit einem Jahr in Potsdam. „Mein Hauptwohnsitz bleibt in Hamburg, denn ich will die Kinder nicht entwurzeln.“ Ins Potsdamer Engagement holte ihn Uwe Eric Laufenberg für die Inszenierung von „Julia Timoschenko“. „Wir kannten uns von den Salzburger Festspielen, wo wir 1992 in ,Julius Caesar“ zusammen auf der Bühne standen. Dann trafen wir uns am Meiningen Theater wieder.“
Anfangs sei es hart für ihn gewesen, von der Familie getrennt zu sein. „Ich hatte auch ein schlechtes Gewissen. Mittlerweile finde ich es aber auch angenehm, weil ich mich besser auf die Arbeit konzentrieren kann.“ Es nerve ihn aber, wenn Regisseure meinen, Stücke zertrümmern zu müssen. „Dann sage ich mir: Und dafür bist du so lange von der Familie weg.“ Ohnehin habe er es bislang nie länger als vier Jahre an einem Theater ausgehalten. „Dann langweilten mich die Kollegen und ich sie sicher auch.“ Noch aber ist er gern in Potsdam, freut sich, in einer Komödie mitzuspielen, „wo Leute Not haben und dagegen kämpfen.“ Und für ihn sei dieses „Gemetzel“ besonders spannend, weil er in seiner Rolle eben nicht so reagieren kann, wie er es sonst tun würde: als Michael Scherff, der es gewohnt ist, sich auch zu wehren.
Premiere morgen, 19.30 Uhr, Neues Theater, Schiffbauergasse.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: