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Kultur: Erdige Stallvariante

Premiere von Kleists „Der zerbrochene Krug“ vom Poetenpack im Q-Hof

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Wetter als auch Inszenierung von Heinrich von Kleists Drama „Der Zerbrochene Krug“ entschieden sich am Donnerstag Abend für das Erdige und Morastige. Bei Sonnenschein mag der Q-Hof, jenes morbide Gehöft unweit des Kuhtores zum Park Sanssouci, eine wunderbare Kulisse für Sommertheater abgeben. Die Regenvariante, die offensichtlich von der freien, aus professionellen Schauspielern zusammengesetzten Theatergruppe Poetenpack nicht eingeplant war, müsste eigentlich Stallvariante heißen. Über achtzig Zuschauer drängten sich unter einem von vier schartigen Stahlsäulen getragenen Tonnengewölbe, das so tief hing wie die dunklen Wolken am Himmel. Schweiß und Regen troffen alsbald von der Decke.

Zum alten Geruch des Viehs, der noch aus den Fugen stieg, gesellte sich ein Dorfrichter Adam in ähnlich ländlicher Manier zu den Premierengästen in den Kober. Draußen, unter freiem Himmel, würden die Worte vielleicht wie kleine Zicklein herumspringen. Hier knallen sie wie wild gewordene Kaltblüter gegen die groben Klinkerwände. Die Derbheit des Ausdrucks von Teo Vadersen, der mit Bierseligkeit und grobem Lachen seine Figur ausfüllte, geht jedoch nur zum Teil auf das Konto des Regens.

Diese Volkstümlichkeit war durchaus für das ganze Ensemble von Regisseur Andreas Hueck beabsichtigt, der für sein schmissiges Sommertheater die vielen kritischen Zwischentöne, deren Beherrschung Kleists Lustspiel immer zu einer schauspielerischen Herausforderung werden lassen, förmlich in Erdigkeit erstickte. Denn natürlich geht es hier nicht um liebgewordene Keramik, die entzwei gegangen ist, genauso wenig, wie „Michael Kohlhaas“ nicht wirklich ein Stück über die Geschäftspraktiken von Pferdehändlern ist.

Die Rolle des Richter Adams hätte das Zeug dazu, gegenüber Eve lüstern amoralisch, gegenüber dem kontrollierenden Gerichtsrat Walter hingegen schlitzohrig und viel weniger schmierig zu sein. Walter selbst wird von Tilo Werner als die Parodie eines Abgesandten der höheren Ordnung gespielt. Viel zu geistesabwesend, als dass ein Machtkampf zwischen der Willkür des Trunkenboldes Adam und dem gebildeten Herren stattfinden könnte. Dieser Adam hatte bereits in der ersten Szene verloren. Und damit war die Frage, wer wirklich den Krug zerbrochen und damit die Ehre der Eve gefährdet hatte, schon zu Beginn beantwortet.

Die willkürliche Formbarkeit einer Gerechtigkeit, von der Schicksale auf Gedeih und Verderb abhängen, alles eingepackt in eine Satire, kann so natürlich nicht glaubwürdig dargestellt werden.

Auch mit Kleists Kunstsprache vom Anfang des 19. Jahrhunderts kam keiner der Schauspieler wirklich brillant zurecht. Hier wurden die Eigentümlichkeiten zu sehr heraus gestellt, anstatt einfach wie heute gewohnt zu phrasieren. Philipp Eckelmann, der den beschuldigten Ruprecht spielte, zeigte wenigstens phasenweise, wie modern Kleist auch heute klingen könnte.

Dieser – nur eingeschränkt zu wertenden – Variante des „Krugs“ ist also viel gedeihlicher Sonnenschein zu wünschen. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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