Kultur: Erinnerung an die 50er Jahre
Regisseur Peter Voigt im Filmgespräch
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„Der Film ist jetzt 18 Jahre alt. Je älter er wird, desto mehr Leute interessieren sich für die Ostberliner Bohème der 50er Jahre“, hat Peter Voigt vor einiger Zeit im Interview über seinen 1993 fertiggestellten Film „Dämmerung – Ostberliner Bohème der 50er Jahre“ gesagt. Nachzulesen ist das in einem ausführlichen und aufschlussreichen Gespräch mit Voigt, der als sehr junger Mann in den 50er Jahren Erfahrungen als Regie- und Dramaturgie-Assistent bei Bertolt Brecht und als persönlicher Assistent von Peter Palitzsch sammeln konnte, in dem vom Filmmuseum Potsdam und dem Verlag Neues Leben herausgegebenen Buch „Das Prinzip Neugier. Defa-Dokumentarfilmer erzählen.“ Falls das Publikum, in dem auch ehemalige Dokumentarfilmkollegen Peter Voigts auszumachen waren, dessen überhaupt bedurfte, so verhalfen die drei gezeigten Filme sowie das anschließende Gespräch mit ihm und Kameramann Christian Lehmann am Dienstagabend im Filmmuseum der Neugier auf die Sprünge.
In „Dämmerung – Ostberliner Bohème der 50er Jahre“, einer Art filmischen Collage, hat Voigt die Erfahrungen jener für ihn prägenden Jahre am Berliner Ensemble verarbeitet. In den Erinnerungen und Erzählungen der Bohèmien der Nachkriegszeit über Bars, Begegnungen und Begebenheiten wird eine vielschichtige, lebenshungrige, aber keinesfalls idyllische Atmosphäre Ostberlins dieser Jahre spürbar. Mit seinen Bildern von aufgerissenen Straßen und Baustellen, dem Blick auf das unwirtliche Berlin der 1990 Jahre ist der Film darüber hinaus inzwischen auch ein Dokument seiner Entstehungszeit.
„Der Ort Die Zeit Der Tod – Ein Heimatfilm“ erzählt äußerst verdichtet von mit Grauen behafteten Kapiteln deutscher Geschichte in einer mecklenburgischen Landschaft rund um den Tollensesee; von Lagern, Gefangenschaft und Hungerdystrophie. „Wieland Förster – Protokoll einer Gefangenschaft: Teil 1: Die Begnadigung“ entstand nach einem Wunsch des Bildhauers Förster, der 1946, als 16-Jähriger, von einem sowjetischen Militärgericht zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt und im gleichen Atemzug zu siebeneinhalb Jahren „begnadigt“ wurde. In der Dokumentation durchläuft Wieland Förster noch einmal das heute zur Technischen Universität Dresden gehörende Gebäude, in dem er monatelang in einer Zelle einsaß, nächtlichen Verhören unterzogen und schließlich verurteilt wurde. Immer bedrückender und intensiver übertragen sich hier die in der Erinnerung aufsteigenden Gefühle des damaligen Jungen auf den Zuschauer. Der Film wurde 1992 in der Akademie der Künste vorgeführt.
In Sujet und Erzählweise vollkommen unterschiedlich, entstanden diese drei Filme in einer Zeit, als sich die Strukturen des Defa-Dokumentarfilmstudios auflösten oder nicht mehr existierten, sich die Bedingungen der Filmproduktion radikal änderten. Die Idee zu „Dämmerung“, so erzählt Voigt, sei in der Defa-Kantine entstanden. Im Austausch mit Kollegen über einen anderen Film.
Mehrfach kommt in dem von Jeanette Eggert moderierten Gespräch bei Voigt jenes Understatement zum Vorschein, von dem viele Passagen des Interviews im Buch durchsetzt sind. So auch, wenn sich am Ende Jeanette Eggert mit den Worten „Schön, dass sie die Filme mit uns schauen“ beim Publikum bedankt. „Ja, ich wundere mich auch“, sagt da Peter Voigt. Gabriele Zellmann
Gabriele Zellmann
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