zum Hauptinhalt

Kultur: Erinnerungsarbeit

Rick Minnich über „Forgetting Dad“

Stand:

Es ist das kindliche Lächeln des Vaters in die Kamera, das als starkes Bild auf der Netzhaut zurückbleibt, als der Abspann zu „Forgetting Dad“, dem wohl persönlichsten Film des jungen Dokumentarfilmers Rick Minnich über die Leinwand des Filmmuseum Potsdam läuft. Der Film, der seinen offiziellen Filmstart in Deutschland erst kommende Woche hat, wurde am Dienstagabend in der Reihe „Aktuelles Potsdamer Filmgespräch“ des Filmverbandes Brandenburg e.V. in einer Vorabpremiere gezeigt. Anwesend war neben dem Komponisten der Filmmusik Ari Benjamin Meyers auch Regisseur Minnich selbst.

Den gebürtigen Amerikaner, in Kalifornien aufgewachsen, hatte es nach der Wende nach Deutschland gezogen und die Liebe ließ ihn hier dauerhaft seine Wurzeln schlagen. Der Filmbegeisterte beschloss daraufhin, an der Filmhochschule in Babelsberg Regie zu studieren.

Dort traf er auch Jeanette Eggert, die das Filmgespräch moderierte und die sich an ein Gespräch mit Rick in der S-Bahn erinnerte, das gut zehn Jahre zurückliegt und in dem Rick bereits darüber sprach, einen Film über seinen Vater zu drehen, der seit seinem 50. Lebensjahr an einer vollständigen, durch einen Autounfall verursachten Amnesie leidet.

Ein tragischer Einschnitt für die gesamte Familie, wie Rick Minnich sagte, denn die anfänglichen Hoffnungen, Richard Minnich würde seine Erinnerungen wiedererlangen, erfüllen sich nicht. Nach einigen Jahren vergeblicher Versuche des Wiedererkennens verlässt er seine Familie und beginnt weit weg ein neues Leben.

Rick, der in dieser Zeit bereits in Europa studierte, besuchte den Vater immer wieder und dokumentierte sein Leben mithilfe einer Super 8 Kamera. Er ist beeindruckt von der Kraft Richards, der nach dem Unfall in ein kindliches Stadium gefallen zu sein scheint und der die Herausforderung so elementare Dinge wie das Ankleiden, Duschen oder Radfahren ganz neu zu lernen annimmt.

Als er später dem Vater und seiner neuen Lebensgefährtin Tracy von seiner Idee erzählt habe, einen Dokumentarfilm über den Unfall, die Amnäsie und die Entdeckung eines „neuen Richard“ zu drehen, seien diese anfänglich begeistert gewesen und hätte ihn in seinem Vorhaben unterstützt, so Minnich. Doch plötzlich entzogen sie ihren Zuspruch, wollten nicht weiter von der Kamera begleitet werden. „Ich war ratlos“, sagte Rick Minnich. Das Projekt war bereits zu großen Teilen vorfinanziert und es galt, ein Ergebnis zu liefern. Schweren Herzens überdachte er seine Pläne und aus dem Film über eine „wunderbare Genesung“ wurde plötzlich das Projekt einer Familienzusammenführung.

Rick Minninch ist Kind einer Patchworkfamilie. Seine Eltern sind bereits seit Kindertagen miteinander bekannt, verlieben sich und heiraten viel zu schnell. Als die Ehe zerbricht, bleiben drei Kinder zurück und Ricks Vater geht eine neue Verbindung mit Loretta ein. Auch in dieser Ehe gibt es Kinder, doch die Traumfamilie, in der sich jeder mit jedem gut versteht, wird es nicht. Die Kinder bleiben unter sich und werden nicht wirklich warm miteinander. Daran wird auch der Unfall Richards nichts ändern, in dessen Konsequenz plötzlich auch die zweite Familie ohne Mann und Vater dasteht.

Erst der Film scheint die Familien einander näher zu bringen. Plötzlich werden Fragen gestellt, die nie ausgesprochen wurden. Und es gibt Antworten, die verletzen und die Zweifel schüren. War der Vater tatsächlich der Mensch, den man selbst erinnert? Ungereimtheiten tauchen auf, die den Film zu einem spannenden Krimi werden lassen, in dessen Verlauf nicht nur die Frage nach der wahren Identität Richard Minnichs laut wird, sondern der auch behutsam den Prozess einer Abnabelung verfolgt.

Rick Minnich ist froh, dass er bei den Dreharbeiten nicht allein war. „Kameramann Axel Schneppat und Cutter Matthew Sweetwood begleiteten mich und fingen mich auf, wenn die emotionale Belastung zu groß wurde.“ Auch dem Komponisten Meyers ist Minnich dankbar. Der habe instinktiv verstanden, welche emotionalen Konflikte den Film tragen und ein Jahr lang an der perfekten Untermalung komponiert, geändert und gefeilt, die er dann zusammen mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg eingespielt hat. Und damit seinen Teil zu einem Gesamtbild beigetragen, das gleichzeitig berührt und fesselt. Andrea Schneider

Andrea Schneider

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })