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Kultur: Erinnerungssplitter

Tamara Trampe hat ihren Film „Meine Mutter, ein Krieg und ich“ im Thalia Kino vorgestellt

Von Sarah Kugler

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Erinnerung. Was ist das eigentlich genau? Ist es das, was wir wirklich gelebt haben? Oder ist Erinnerung nicht doch eine Zusammensetzung aus Erlebtem und Erzähltem? Mit diesen Fragen setzt sich der aktuelle Film von Tamara Trampe „Meine Mutter, ein Krieg und ich“ auseinander. Am Dienstagabend stellte sie ihn im Babelsberger Thalia Kino vor.

In dem Dokumentarfilm versucht die Filmemacherin ihrer eigenen Vergangenheit auf den Grund zu gehen. Ihre Mutter war eine ukrainische Krankenschwester der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg. Während dieser Zeit lernte sie einen älteren verheirateten Offizier kennen, von dem sie schwanger wurde. Alleine bringt sie ihre Tochter Tamara mitten im Kriegsgeschehen auf die Welt. Über die Zeit an der Front hat die Mutter jedoch nie gesprochen. Erst kurz vor ihrem Tod lüftet sie ein paar Geheimnisse, auf dessen Grundlage Trampe in die Ukraine reist und sich auf die Spuren ihrer Mutter begibt. Sie trifft dort Verwandte und andere ehemalige Frontfrauen, die Stück für Stück mehr Puzzleteile zu dem zersplitterten Familienbild hinzufügen.

Tamara Trampe, 1942 geboren, hat Germanistik studiert und einige Zeit als Kulturredakteurin gearbeitet. Mehr durch einen Zufall wurde sie Dramaturgin beim Defa-Studio in Babelsberg und ist seit 1990 freie Filmemacherin, Autorin und Dramaturgin. „Meine Mutter, ein Krieg und ich“ gewann auf der Berlinale 2014 den dritten Publikumspreis und den Heiner-Carow-Preis der DEFA-Stiftung.

„Das war schon etwas ganz Besonderes für mich“, sagte sie im Filmgespräch am Dienstag. „Das ist mein persönlichster Film und auch mein letzter, von daher ist es sehr bewegend, dass der beim Publikum so gut ankommt.“ Das Thema des Films habe sie schon ihr Leben lang begleitet, doch erst jetzt hatte sie die Kraft, sich intensiv damit auseinanderzusetzen. „Ich denke, man muss ein bestimmtes Alter erreicht haben, um mit Fragen wie ,Wo komme ich her?’ und ,Wer bin ich?’ richtig umgehen zu können“, so die Filmemacherin.

Dem Thema Krieg hingegen hätte sie sich schon in vielen ihrer Filme genähert. „Mich hat immer beschäftigt, was die Leute so sprachlos macht“, sagte Trampe. „Was mich ja auch wieder zu meiner Mutter führt.“ Der Krieg hätte ihr ganzes Leben geprägt, erzählte sie. „Sie war immer sehr hart und in sich gekehrt, etwas, was ich ihr immer vorgehalten habe.“ Erst während des Drehs in der Ukraine habe sie ansatzweise verstanden, warum das so war. „Die Menschen haben damals einfach so unvorstellbare Dinge erlebt, das war einfach nicht aussprechbar“, sagte sie.

Der Film fängt diese Sprachlosigkeit sehr gekonnt auf. Die Protagonisten werden wenig gefragt, die Filmemacherin lässt sie einfach reden. Dadurch wird zwar keine stringente Geschichte erzählt, dafür aber ein Lebensgefühl angedeutet, das sich auf verschiedenen Ebenen bewegt. Es geht um Mutterliebe, um Verstehen und immer wieder um die Suche nach dem eigenen Ich.

Insgesamt 13 Tage hat sie mit ihrem Team in der Ukraine gedreht. Eine Reise, die auch für Trampe Überraschungen bereithielt. „Ich hätte nicht erwartet, dass der Film mir so nahe gehen würde“, sagte sie mit Tränen in den Augen. „Als ich da auf dieser Wiese stand, auf der ich angeblich geboren wurde, wurde mir erstmals klar, dass meine Mutter sich bewusst für mich entschieden hatte, dass sie also doch nicht nur die harte Krankenschwester, sondern auch eine liebende Mutter war.“

Auch diese persönliche Ebene gibt der Film wunderbar wieder: Trampes Emotionen werden nicht ausgeblendet. Man sieht ihre Tränen, ihr Lachen, ihre Angst. Immer wieder wischt jemand die Linse der Kamera sauber. Trampes Reise ist greifbar, die Distanz ist aufgehoben. „Mir ist es wichtig, dass ich vor der Kamera auch bin, wie ich bin“, sagt sie. „Aber ich denke, das ist mir gelungen.“

Oft steht sie in dem Film vor verschlossenen Gartenpforten, die sich nur schwer öffnen lassen. Ein Motiv, das sich auf ihre Erinnerungsarbeit übertragen lässt: Trampe muss immer neue Türen aufstoßen, um ihr Lebenspuzzle zusammensetzen zu können. Oft kommt sie dabei nur mit winzigen Schritten voran, stößt auf Widerstände oder öffnet wieder andere Türen, die zu neuen Geschichten führen. „Der Film ist eine Zusammensetzung aus vielen kleinen Splittern, die sich zu einem großen Gesamtbild zusammensetzen“, so Trampe. „Aber ich finde, dafür ist er sehr elegant gelöst.“

Eine Zusammensetzung aus vielen kleinen Splittern ist auch Trampes Erinnerung, die sie in dem Film mit den Zuschauern teilt. Splitter, die nicht immer das wiedergeben können, was wirklich geschehen ist, aber dennoch ein erlebtes und nicht nur erzähltes Leben zu einem Bild zusammenfügen. Sarah Kugler

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